"Dann fällt das Lernen flach" Eine Kurzreportage aus der Berufsschule
Der Sprung von der Mittelschule in eine Oberschule ist für die meisten Jugendlichen mit großen Veränderungen verbunden. Besonders tief greifend scheint dieser Sprung für Berufsschülerinnen und Berufsschüler zu sein. Vierzig Stunden Unterricht pro Woche, lange Fahrtzeiten zur Schule und sehr wenig Zeit für Hobbys „lassen das Leben ganz schön anstrengend werden.“ von Marlene Kranebitter Zingerle
„Seit zwei Jahren besuche ich die Hotelfachschule. Ich musste mein Leben komplett umstellen. Zunächst gab ich mein Hobby, das Fußballspielen auf, dann aber hat der Verein mich gebeten, weiterzuspielen. Jetzt versuche ich halt alles unter einen Hut zu bekommen.“ Marian ist 16 und geht zum zweiten Mal in die erste Klasse des Bienniums für Hotellerie und Gastronomie. Das erste Mal hat es wohl auch deswegen nicht geklappt, „weil ich meine Pflichten vernachlässigt habe.“ Lernen, Hausaufgaben, sogar das Essen versuchte er während der täglichen Zugfahrt unterzubringen. „Heuer geht es ein bisschen besser, weil das Fußballtraining erst um sieben Uhr anfängt.“ Lange Wege Vierzig Stunden Unterricht pro Woche sind für die meisten Schülerinnen und Schüler der Vollzeitlehrgänge an Südtirols Berufsschulen Normalität. Wenn sie am Abend nach Hause kommen, waren sie in der Regel zehn und mehr Stunden unterwegs, je nachdem wie (un-)günstig die Bus- und Zugverbindungen sind. Thomas wohnt während der Woche zwar in der Nähe seiner Schule, muss aber bereits um 17.15 Uhr im Heim sein. „Ich nutze aber die Wochenenden voll aus.“ Bei vierzig Schulstunden pro Woche und der streng geregelten Studierzeit im Heim hat er weniger Freizeit und spielt auch nicht mehr Fußball, „das ging im Realgymnasium noch“. Seine Mutter meint, Lernjahre seien keine Herrenjahre, „und da hat sie wohl Recht“. Freizeit Fehlanzeige Freie Zeit bleibt wirklich kaum übrig, aber das finden die meisten letztendlich nicht ganz so schlimm. „Am Anfang war es schon schwer, aber man gewöhnt sich daran.“ Für die fünfzehnjährige Katharina war es „eine recht große Umstellung“, erst so spät nach Hause zu kommen. „In der Mittelschulzeit war ich bereits um zwei Uhr zu Hause, aber man kann alles planen“, meint sie. Und planen muss sie allerhand. Sie nimmt Klavierunterricht, singt im Kirchenchor, ist Jungschützenbetreuerin und geht dreimal pro Woche zum Lauftraining. „Zum Glück fällt mir das Lernen nicht schwer.“ Mit ihrem Engagement ist sie aber eher eine Ausnahme, bei den meisten „kommen Hobbys und Vereine alle zu kurz.“ „Wenn ich gegen fünf Uhr, manchmal auch erst um sechs nach Hause komme, habe ich keine Zeit mehr für einen Verein“, sagt Miriam, ebenfalls fünfzehn, „und da ich sehr früh aufstehen muss, habe ich am Abend eigentlich auch keine Lust mehr, etwas zu unternehmen.“ Wie schwer zudem das Lernen nach acht Schulstunden fallen kann, erklärt die quirlige Viktoria. „Wenn man jeden Tag alles lernen würde, was man zu lernen hat, dann würde man bald verrückt werden.“ Und Alex sagt es schließlich frei heraus: „Wenn man jeden Tag bis vier Uhr Schule hat, dann ist man auch mal müde, dann fällt das Lernen eben flach.“ Lernen gegen Freizeit Lernen gegen Freizeit heißt es dann oft, „und manchmal muss man die Freizeit gewinnen lassen.“ Ein bis zwei Stunden brauchen die meisten täglich für Hausaufgaben und die Vorbereitung auf Tests und Prüfungen, „dann ist der Tag auch schon wieder vorbei.“ „Nach dem Abendessen suche ich die Schulsachen für den nächsten Tag zusammen und mache jene Hausaufgaben, die ich im Bus oder vor Schulbeginn nicht mehr schaffe“, beschreibt die 15-jährige Verena ihren Alltag. Und dann bleibt noch Zeit für ein bisschen Fernsehen, „so zum Entspannen“ oder „um manchmal Freunde zu treffen, denn die muss man oft genug vertrösten.“ Die „Kollegentreffzeit“ hat der 16-jährige Lukas um ein paar Stunden verschieben müssen. Früher, da konnte er an so manchem Nachmittag mit seinen Freuden zum Schi fahren auf den Kronplatz. „Jetzt geht das nur mehr am Wochenende und so drehe ich als Ersatz halt abends meine Runden.“ Wenigstens noch Musikkapelle Den Besuch der Musikschule haben viele Berufsschülerinnen und Berufsschüler aufgegeben. Es fehlt die Zeit „und manchmal auch die Kraft.“ Einige spielen „zum Glück“ wenigstens noch in einer Musikkapelle. Auch der Sport kommt zu kurz, „außer man hat am Abend Training“. Eine übervolle Woche bringt so manchen Jugendlichen an seine Grenzen, „aber man kann ja nicht nur für die Schule leben.“ So ein bisschen mit Freunden herumhängen, das geht für viele nur mehr selten. „Manchmal geht man in das Schulgebäude hinein, schaut zum Fenster hinaus, sieht die Sonne über den Dächern auftauchen, freut sich darüber, und wenn man am Nachmittag gegen vier Uhr nach Hause geht, ist die Sonne schon wieder verschwunden.“ Rettungsanker Wochenende Den freien Samstag genießen sie alle, „der ist unglaublich fein, auch wenn einige meiner Freunde da leider Schule haben.“ Lange schlafen, endlich Zeit für die Hobbys zu haben oder einfach einmal nichts zu tun, „frei vom Stress zu sein“, ist Balsam für die Seele. Am Sonntagnachmittag drückt dann aber so manchen schon wieder das Gewissen. Lernen wäre angesagt, der Montag bringt wieder acht Schulstunden, „auch wenn da nicht oft geprüft wird, aber manche Fächer hat man leider nur am Montag.“ Immer kann man das Lernen leider nicht flachfallen lassen.
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