Vielfalt als Wert
Was geschieht mit Kindern, die die Unterrichtssprache (noch) nicht sprechen? Geben das Landesgesetz Nr. 5/2008 und der Beschluss der Landesregierung Nr. 4724 vom 15.12.2008 zur Einschreibung der Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund eine zukunftsweisende Lösung vor, wenn sie die Schulämter beauftragen, Klassen mit einem Anteil von mehr als 30% von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund zu vermeiden und für eine ausgewogene Verteilung zu sorgen? Das Ziel bleibt – hoffentlich nicht auf der Strecke! – die Integration und die Sicherung der Unterrichtsqualität.
Skepsis erwecken sollte jedes Vorgehen, das der Aussonderung von Schülerinnen und Schülern mit Beeinträchtigung ähnelt. Vorgespurte Wege des geringsten Widerstandes lassen grüßen, sind sie doch nachhaltig anzutreffen! Aber gerade im integrierenden und inklusiven Unterricht hat sich ein anfangs – aufgrund von Berührungsängsten oder anderen Hürden – schwieriger Weg als richtig erwiesen.
In den Rahmenrichtlinien des Landes für die Festlegung der Curricula an den autonomen deutschsprachigen Grund- und Mittelschulen in Südtirol (Beschluss der Landesregierung Nr. 81 vom 19.01.2009) wird Vielfalt als Wert ausdrücklich erwähnt. „In einer multikulturellen Gemeinschaft leben und lernen“ zählt zu den allgemeinen Bildungszielen der Unterstufe: „Die Schule baut durch einen auf dem Grundgedanken der Inklusion beruhenden Unterricht die Haltung auf, Unterschiede der Personen und Kulturen als Bereicherung zu verstehen und dem Anderssein mit Respekt und Offenheit zu begegnen.“ (S. 17) An anderer Stelle heißt es: „In der Auseinandersetzung mit dem sozialen Umfeld und gesellschaftlichen Gruppierungen bauen Schülerinnen und Schüler ein eigenes Wertesystem auf. Ausgehend von ihrer eigenen kulturellen Identität lernen sie andere Werte und Kulturen kennen und ihnen mit Offenheit zu begegnen.“ (S. 27)
Bildungsgerechtigkeit herzustellen ist allemal kein leichtes Unterfangen. Doch wie kann Heterogenität insgesamt, im Besonderen auch multikulturelle Vielfalt im Unterricht als Reichtum gesehen und konkret als Chance genutzt werden? Die Frage ist akut.
Reformpädagogische Ansätze erfreuen sich zunehmender Beliebtheit an Südtirols Schulen; sie wissen mit Vielfalt und offenen Lernformen insgesamt gut umzugehen. Dies zu unterstützen, die Aus- und Fortbildung von Lehrerinnen und Lehrern verstärkt danach auszurichten und zudem gezielt in interkulturell gebildete und handelnde Akteure zu investieren, scheint mir ein Gebot der Stunde.
In innovativen Konzepten zum schulischen Umgang mit ethnischer und sprachlicher Vielfalt kommen Bezüge zu den Lebenswelten der Kinder und Jugendlichen zum Tragen, sie setzen auf kontextgebundene und individualisierende Bildungsprozesse, entfernen sich von unseliger Defizitorientierung und stehen in Kontrast zu Ausgrenzung. Allein der Sprachenunterricht und die sprachliche Verständigung greifen zu kurz. Auch kulturelle Besonderheiten, Werte und Hintergründe müssen thematisiert, Verunsicherung mitbedacht und Migrationserfahrungen als Ressource erkannt werden. Und es sollte für Lehrerinnen und Lehrer erstrebenswert und attraktiv sein, sich interkulturelle Bildung zu erwerben. Auf dass sie in ihrer Unterrichtspraxis den neuen Realitäten Raum geben und die nötigen Fähigkeiten für einen professionellen, wohlwollenden und kreativen Umgang mit steigender Heterogenität entwickeln!
Maria Vötter , Redakteurin |
frei heraus gesagt |
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