Alles ist möglich!

Was dürfen Sie sich von unserem ersten Heft im Jahr 2010 erwarten? Es trägt den alles und zugleich nichts versprechenden Titel „Geografie“. Haben Sie konkrete Vorstellungen, welche Themen ange-schnitten werden könnten?

Vielleicht erwarten Sie sich Reiseberichte oder Dokumentationen über ferne Länder und Kulturen? Oder Sie verbinden mit dem Thema des Heftes verschiedene Umweltproblematiken wie Treibhauseffekt, Klimawandel, Ozonloch und anthropogener Raubbau an den natürlichen Energiequellen wie Erdöl und Holz? Einigen Leserinnen und Lesern werden sofort Begriffe wie „Wirtschaftskrise“ und „Globalisierung“ einfallen. Vermutlich werden nur relativ wenige von Ihnen spontan an die Namen der weltweit bedeu-tendsten Haupt- und/oder Handelsstädte oder der größten Seen und Häfen der Welt denken und nur Einzelnen werden die Namen der höchsten Berge, der schönsten Täler, Flüsse und Ortschaften Südtirols einfallen.

So mannigfaltig die Assoziationen zum Begriff „Geografie“ auch sein mögen, ganz nüchtern betrachtet bedeutet er lediglich „Erdkunde“ und bezeichnet die Wissenschaft, die sich mit der Erde als Planet und als Lebensraum der Menschen auseinander setzt.

Ähnlich vielfältig wie die Veränderungen, denen die Erde unterworfen ist, und wie die Assoziationen zum Begriff „Geografie“ sind, ist auch das entsprechende Unterrichtsfach im Südtiroler Schulsystem.

In der Grund- und Mittelschule wird das Fach dem geschichtlich-geografisch-sozial-religiösen Bereich zugerechnet; die neuen Rahmenrichtlinien des Landes von 2009 benennen die Kompetenzziele am Ende der Grundschule und am Ende der Mittelschule nebst Fertigkeiten und Fähigkeiten sowie Kenntnissen, was schon einmal ein lobenswertes Unterfangen darstellt.

In der Oberschule variiert das Bildungsangebot für Geografie je nachdem, welchen Schulzweig und welche Fachrichtung die Jugendlichen besuchen. Explizit beim Namen genannt wird das Fach lediglich in zwei Wettbewerbsklassen für Lehrkräfte der Oberschule, unterrichtet werden Teilgebiete und ausgewähl-te Aspekte dieser weitgefächerten Wissenschaft aber auch in diversen anderen Fächern des curricularen Unterrichts.

Die Entscheidung, einen Schwerpunkt im Bereich physische Geografie mit Inhalten der Geologie, Meteo-rologie und Astronomie, im Bereich der Wirtschaftsgeografie, der Länderkunde oder einem anderen Bereich zu setzen, bleibt vor allem in der Oberschule der jeweiligen Lehrperson überlassen. Während sich Schülerinnen und Schüler bei der Wahl der Oberschule darauf verlassen können, dass im Fach Mathema-tik mit Zahlen, Gleichungen, algebraischen Strukturen gearbeitet wird und im Fach Englisch die entspre-chende Sprachkompetenz und Literatur Gegenstand des Unterrichts sein wird, bleiben die Lerninhalte im Fach „Geografie“ bis zur ersten Stunde im Schuljahr „geheim“. Meist hat es sich aber bereits herum-gesprochen: in Geografie gilt „Alles ist möglich“. Die Lehrperson wird dann verkünden, welche Geografie sie zu unterrichten gedenkt… und das wird wohl in den meisten Fällen der Unterrichtsstoff sein, der ihr selbst am Herzen liegt und worin sie sich fachlich zu Hause fühlt.

Und es gibt auch einen kleinen Richtungsstreit: Entgegen der in Südtirol üblichen Schreibweise „Geografie“, die der neuen Rechtschreibung folgt, wird auch noch oft – wie vom Zentralverband der deutschen Geographen empfohlen – die Schreibweise „Geographie“ verwendet.

  Brigitte Lintner, Redakteurin

frei heraus

gesagt