Wege der Prävention gegen den Rechtsextremismus Teil 2: Mit den Menschenrechten gegen diskriminierende IdeologienEin Muezzin stimmt den Gebetsruf an, dann krachen zwei Schüsse. Kurze Stille, und schon erklingt eine fröhliche Polka. Dieser Tonclip fand sich vor gut einem Jahr als „cooler Gag“ auf den Handys vieler Südtiroler Jugendlicher. Wie schafft man es, Jugendliche dafür zu sensibilisieren, dass diese angebliche „Hetz“ geschmacklos ist und in einem Naheverhältnis zum Rechtsextremismus steht? Die Pädagogik der Menschenrechte ist ein wertvolles Instrumentarium auf diesem Weg. von Walter Pichler Warum ist die Vermittlung der Menschenrechte in der schulischen Präventionsarbeit gegen den Rechtsextremismus wichtig? Die Menschenrechte stehen allen Menschen gleichermaßen zu, und zwar unabhängig von ihrer Hautfarbe, ihrer Herkunft oder ihrem Geschlecht. Sie gelten unabhängig von der Zugehörigkeit zu einem Staat, sie sind angeboren, unveräußerlich und unantastbar. Dieser egalitäre Ansatz der Menschenrechte steht in scharfem Kontrast zur Ideologie des Rechtsextremismus, welche die Ungleichheit und Ungleichwertigkeit der Menschen betont. Die Ideologie der Ungleichwertigkeit Die Menschen sind verschieden. Der Rechtsextremismus deutet diese unleugbare Tatsache in seinem Sinn: Da die Menschen verschieden sind, sind sie auch unterschiedlich viel wert. Es gibt höherwertige und mindere Rassen und Kulturen. Einer so genannten höherwertigen Rasse oder Kultur stehen – so die Ideologie des Rechtsextremismus – auch mehr Rechte zu. Heutzutage tarnt sich diese Ideologie, indem der Begriff Rasse durch „Volk“ oder „Kultur“ oder – noch unverfänglicher – durch „Einheimische“ ersetzt wird. Nach Einschätzung des renommierten Politikwissenschaftlers Anton Pelinka (Österreich) bilden die Menschenrechte den wichtigsten Ansatzpunkt zur Verhinderung eines Denkens, das aus der Verschiedenheit der Menschen eine Hierarchie der Rechte (und Pflichten) ableitet und legitimiert. Zudem verhindere eine gelungene Pädagogik der Menschenrechte auch die Bildung von Feindbildern – ein wesentliches Bestimmungsmerkmal rechtsextremen Denkens.
Merkmale rechtsextremnen Denkens Folgende Vorstellungen sind für die rechtsextreme Szene auch in Südtirol charakteristisch: 1. Rassismus: Menschen sind rassisch bzw. ethnisch verschieden. Aus diesem Grund hätten sie nicht den Anspruch auf die gleichen Rechte. Besonders häufig wird diese Unterscheidung gegenüber Schwarzen bzw. gegenüber Juden getroffen. 2. Volksgemeinschaft: Die Bevölkerung eines Landes soll ethnisch einheitlich sein. Sie sei eine Schick-sals- und Kampfgemeinschaft. Der „Führer“ verkörpere den Willen des Volkes. 3. Kollektivismus: Die Gemeinschaft habe Vorrang vor dem Individuum. Der Einzelne müsse sich der Gemeinschaft bzw. dem Staat strikt unterordnen. 4. Nationalismus: Die Überbetonung der eigenen Nation bzw. Kultur geht oft einher mit einer feindseli-gen oder geringschätzigen Haltung gegenüber anderen NAtionen bzw. Kulturen. (Feindbilder). In der Südtiroler rechtsextremen Szene fällt neben der Ablehnung von Ausländern auch jene gegenüber „allem Italienischen“ auf. Eine Besonderheit stellt der Ethnopluralismus dar. Es geht ihm nicht aus-schließlich darum, dass die eigene Gruppe höherwertig ist als die andere. Er sieht aber die räumliche Trennung von Ethnien vor: „Deutschland den Deutschen, die Türkei den Türken". 5. Verharmlosung des Nationsalsozialismus: Die Ideologie des Nationalsozialismus, der Holocaust und die deutsche Schuld am Zweiten Weltkrieg werden geleugnet. In einschlägigen Werken, die auch in Südtirol verbreitet sind, wird dargestellt, "was Hitler wirklich wollte" bzw. wird das in Schulbüchern vermittelte Wissen über diese Zeit als "Geschichtsschreibung der Sieger" diffamiert. Was Rechtsextreme ablehnen Folgende Positionen werden von Rechtsextremen strikt abgelehnt und bekämpft:
1.
Alle Menschen haben dieselben Rechte, da sie Menschen sind (Menschenrechte).
2.
In einem Land können mehrere Kulturen friedlich leben. Das Kennenlernen
verschiedener Kulturen kann eine Bereicherung sein. (Multikulturalismus).
3.
Menschen haben unterschiedliche Werte und Vorstellungen und sollen diese
auch leben können, solange sie damit nicht anderen schaden. (Wertepluralismus).
Menschenrechte zur Orientierung Seit den Menschenrechtsverletzungen in den Bürgerkriegen der neunziger Jahre und nach den Anschlägen des elften September 2001 sind die Menschenrechte wieder verstärkt in den Fokus unserer Aufmerksamkeit gerückt. Sie sind ein wichtiger Orientierungspunkt für das friedliche Zusammenleben von Individuen, Gesellschaften, Staaten, Weltreligionen und Kulturen geworden. Voraussetzung dafür, dass die Menschenrechte auch für unsere Jugendlichen zum Orientierungs-punkt ihres Denkens und Handelns werden können, ist – neben ihrer Kenntnis –auch die Einsicht, dass zwischen dem universalen Anspruch der Menschenrechte und ihrer Umsetzung schmerzhafte Lücken klaffen. Die Herausforderung für die Lehrperson besteht darin, das so entstandene Problembewusst-sein mit einer Handlungsdimension zu verknüpfen: Was kann ich zur Verbesserung der Situation der Menschenrechte beitragen? Damit folgt der Unterricht dem pädagogischen Dreischritt: Wissen – Erkennen – Handeln.
Zugang zum Thema Der Bildungswissenschaftler Volker Lenhart (Deutschland) empfiehlt in seinem Standardwerk „Pädagogik der Menschenrechte“ neben diesem pädagogischen Dreischritt der Lehrperson unter anderem Folgendes für den Unterricht der Menschenrechte: Textquellen
in kind- und jugendgerechter Sprache anbieten
Die
Menschenrechte als Beurteilungsmaßstab politischer Verhältnisse
akzentuieren
Handlungsmöglichkeiten
zur Durchsetzung von Menschenrechten aufzeigen.
Auf den Homepages von UNICEF, Human Rights Watch und Amnesty International finden sich zahlreiche Materialien für den Gratis-Download, die diese Kriterien bestens erfüllen.
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PRAXIS
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