Vierzehnjährige: Lausbuben und MännerDie Phalanx der Vierzehnjährigen besteht aus unterschiedlichen Charakterköpfen; interessant sind sie, eine Herausforderung ebenso.
Der Coole Sein Markenzeichen sind lange Stirnfransen und eine Hose, die ihm beinahe entgleitet, zudem ein überdimensionaler Kopfhörer, den er stets griffbereit hat. Er trägt Markenkleidung, behandelt sie aber mit einer Geringschätzung, als wäre es gar nichts und lässt die Jacke einfach auf den Boden fallen. Er lümmelt in der viel zu kleinen Bank und hat auch sonst Schwierigkeiten, mit seiner Körperlichkeit umzugehen. Auch sieht er sich oft seinen Wutattacken ausgeliefert und wirft mit den übelsten Sprüchen um sich. Woher er soviel Schleim nimmt, um ihn alle paar Zentimeter auszuspucken, weiß niemand, ebenso wenig, ob er bei Mädchen wirklich ankommt. Aber das interessiert den Coolen eigentlich ohnehin nicht wirklich, denn Mädchen stehen in seiner Priorität nach Scooter und Computerspiel und einer langen Schweigepause weit abgeschlagen auf Platz drei. Manchmal aber verrät sich der Coole und dann schimmert bisweilen etwas anderes durch: der kleine Bub, der sich unsicher hinter seine Fransen zurückzieht, der intellektuelle Junge, der sich seines Interesses schämt, der nette Typ, den leider seine fortgeschrittene körperliche Entwicklung überfordert. Aber all dies ist ein Spuk, der wenige Monate später verflogen ist, in der Sonne des Sommers zu einem anderen Image gereift ist, so als wäre es ein notwendiges Stadium. Der in sich Ruhende Er ist groß gewachsen und sehr höflich, aber nicht uncool. Denn seine Coolness ergibt sich gerade daraus, dass er sich nicht um sie bemüht. Bei Mädchen kommt er gut an, sie schielen im Geheimen nach seinem Intellekt. Er ist gewissenhaft, aber kein Streber. Er verirrt sich zwar bisweilen im Labyrinth der Logik und sucht verkrampft nach Lösungen, letztendlich behindert ihn manchmal sein genaues Nachdenken. Aber das ist nur ein vorübergehender Zustand. Sein Schriftzug ist lässig und reif, sein Heft eine vollständige Dokumentation. Sein Interesse ist der Welt zugewandt und seine Freizeit verbringt er in Vereinen. Vielleicht ist er Jungscharführer oder Trompeter in der Musikkapelle und wahrscheinlich hat er auch ein paar jüngere Geschwister. Auf ihn kann man sich verlassen, aber manchmal würde man ihm mehr Unbefangenheit wünschen, damit ihm nicht irgendwie die Jugend abhanden kommt. Der potentiell Intellektuelle Er ist sprachgewandt und scheut die Diskussion nicht, am liebsten ist ihm der Widerspruch: das kann man doch nicht so sagen, wenn Sie genau bedenken, warum soll man das nicht auch so sehen, da irren Sie sich wohl. Schnell fängt er ein Stichwort auf, das ihn auf sein Lieblingsthema bringt, und fragt einem Löcher in den Bauch. Er ist von seinem Wissen derart überzeugt, dass er bisweilen die Notwendigkeit einer weiteren intellektuellen Durchdringung des Themas nicht erkennt, was oft dazu führt, dass er ungenau und flüchtig arbeitet. Seine Selbsteinschätzung hält dann leider der Realtität nicht stand. Der potentiell Intellektuelle ist aber immerhin potentiell sehr intellektuell und wenn die Zeit der Extreme vorbei ist, wird er aus dem, was er, vielleicht auch nur oberflächlich gespeichert hat, großen Gewinn ziehen und alle, die sich über seine Ungenauigkeit geärgert haben, überraschen und – wer weiß? – vielleicht auch in den Sack stecken. Der potentiell Intellektuelle Er ist richtig süß, da in der ersten Reihe, klein, blond und mit Nickelbrille. Wohlerzogen und freundlich, ein optimistisches Kind, das von den Wirren der Pubertät noch nichts weiß. Er liest Asterix und was er in der Mittelschule gelernt hat, hütet er wie einen kostbaren Schatz. Er sucht nach Vorbildern und bewundert seine Lehrer, er hängt an ihren Lippen und saugt ihre Worte auf. Mit Autorität hat er kein Problem. Dass er noch recht klein ist, stört ihn nicht, so als wüsste er im Geheimen, dass er sehr hübsch ist und dass er in ein paar Monaten hochgeschossen und schlaksig seine fünfzehn Jahre herunterbiegen wird. Spätestens dann wird auch die leiseste Stimme, die in ihm vielleicht einen kleinen Streber vermutet hatte, verstummen. Fanni A. Storch |
Zaun- gast
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