Entdecken, Staunen, Tun!

Vermittlung im Museum als außerschulische Lern- und Erfahrungsmethode

 

In Museen entdecken, erleben und erlernen Kinder und Jugendliche ästhetische Werte und schärfen den Blick auf ihre Welt und Umwelt. Die unmittelbare Begegnung mit originalen Zeugnissen schafft Orientierungs-grundlagen und ermöglicht den Zugang zu aktuellen und vergangenen Epochen, zur eigenen Kultur und Geschichte, aber auch zu dem Fremden, dem Anderen.

von Brita Köhler

Verfolgt man die jüngsten Untersuchungen im internationalen Bildungsbereich, so wird deutlich, dass unsere immer komplexer werdende Lebenswelt neue Qualifikationen und Schlüsselkompetenzen der Schülerinnen und Schüler erfordert, wie Teamfähigkeit und Toleranz, gesellschaftliches Engagement, Kommunikationsfähigkeit und Kreativität.

Stöbert man des Weiteren auf den Seiten des Internationalen Museumsrats ICOM, so stößt man bei der Definition der wesentlichen Aufgaben eines Museums auf die Angaben „Studien- und Bildungs-zwecke, Freude, Spaß und Genuss” [Vgl. Deutscher Museumsbund e.V., ICOM-Deutschland (Hg.): Standards für Museen, Kassel, Berlin 2006].

Lernort von gesellschaftlicher Relevanz

Aus welchem Grund jedoch sollte es für Lehrende und Lernende von Vorteil sein, das Museum als außerschulischen Lernort zu nutzen? Tatsächlich birgt das Museum ein hohes Potenzial für individuel-les, aber auch informelles Lernen sowie kreatives, innovatives und sozial verantwortliches Handeln. Innerhalb der vier klassischen Säulen der Museumsarbeit – dem Sammeln, Bewahren, Forschen und Vermitteln – kommt somit der Bildungs- und Vermittlungsaufgabe des Museums eine erweiterte und verstärkte gesellschaftliche Bedeutung zu.

 

Motivierend und nachhaltig

Dass Museen nicht nur alternative Lernorte, sondern auch Orte des Erlebens, der Freizeit und inter-kulturellen Begegnung sind, wirkt sich auf die darin stattfindenden Bildungsprozesse motivierend und nachhaltig aus.

Thematisch und inhaltlich sind die einzelnen Aktivitäten eng mit den Sammlungsbeständen verknüpft. Doch wie erweckt man diese oft als „leblos“ empfundenen Exponate zum Leben? Wie wird es möglich, Bildung und Vermittlung gleichsam zu einer Brücke zwischen den vielfältigen Beziehungen der Menschen und den Exponaten werden zu lassen? Wie erreicht man die eingangs genannten, selbst auferlegten Aufgaben, ein Ort des Lernens, aber auch der Freude, des Erlebens zu sein?

Handlungsorientiert und interaktiv

Die Vermittlung im Museum hat es sich zum Ziel gemacht, Lernprozesse sinnlich und nachvollziehbar zu gestalten. Das Handlungsorientierte und Interaktive gelten somit als maßgebliche Richtlinien unserer Arbeit.

Viele erleben die Begegnung mit dem Original als aufregend, aber auch distanziert. Viel lieber möch-ten wir die Dinge anfassen und berühren, ihre Eigenschaften sinnlich erfassen. Vor allem Kinder und Jugendliche setzen sich aktiv und spielerisch mit der eigenen und der Lebenssituation anderer aus-einander.

Die direkte und experimentelle Auseinandersetzung mit dem Material ist somit ein wesentliches Credo musealer Vermittlungsarbeit. Die meisten Museen bieten interaktive Führungen mit gezielten Handlungsmomenten oder Werkstätten für verschiedene Altergruppen an. Dabei wird der Inhalt einer Ausstellung, das originale Kunstwerk oder historische Exponat, häufig nur zum Ausgangspunkt, zur Quelle der Inspiration für ein eigenes, reflektierendes oder praktisches Tun und individuelles An-nähern. Das Spektrum an Möglichkeiten ist ein Unendliches – ob bildnerisches und experimentelles Schaffen, Musik, mimisches Spiel und Theater, Literatur oder audiovisuelle Medien – jedes kulturelle Bildungsangebot erschließt jungen Menschen eigene Ausdruckmöglichkeiten.

Die meisten dieser Anregungen und kreativen Denkanstöße lassen sich fließend in ein schulisches Projekt einbinden und können zum ergänzenden, ganzheitlichen Baustein einer gesamten Unterrichts-einheit werden – und zwar für verschiedene Fächer und im Unterricht behandelte Themen: So kann der Besuch einer Geschichts- und Politikklasse im Kunstmuseum ebenso auf wesentliche Erkenntnisse zum Thema Gesellschaft führen, wie die Begegnung einer Kunstklasse mit den Farben und Mustern der Natur in einem wissenschaftlichen Museum.

Gern ohne Block und Stift!

Auch wenn ein Museumsbesuch organisatorisch und inhaltlich vor- und nachbereitet werden kann oder sollte, so geht es doch keinesfalls darum, mit einem festgesetzten Vorwissen, Block und Stift im Museum zu erscheinen. Im Gegenteil, gerade die spontane, unmittelbare Begegnung mit einem Exponat, mit der Besonderheit des Originalen, ermöglicht vor allem in der Vermittlungsarbeit mit Kindern spannende Diskurse und Entdeckungen, Neugierde und individuelles, motiviertes Lernen. Das Wahrnehmen der eigenen Assoziationen und Empfindungen, Erkennen von Irritationen und Entwickeln von Fragen wiederum fördern und stärken das Interesse von Jugendlichen.

Grundsätzlich gilt: Das Gefühl, akzeptiert und ernst genommen zu sein und dort abgeholt zu werden, wo man steht, ist das Recht eines jeden Museumsbesuchers, einer jeden Besucherin, egal welchen Alters.

Bildungs- und Erlebnisstätte

Museumsbesuche bieten allen Lehrkräften und deren Schülerinnen und Schülern in vieler Hinsicht über die Rahmenrichtlinien und Lehrpläne hinaus wichtige Erfahrungsmöglichkeiten. Dabei versteht sich das Museum nicht nur als außerschulischer Lernort, sondern auch als qualifizierter und verlässlicher Partner, als gemeinschaftliche Bildungs- und Erlebnisstätte. Immer häufiger knüpfen Schulen, Museen und andere Bildungsinstitute ein enges Netzwerk, innerhalb dessen gemeinsame, längerfristige Projekte geplant und Kooperationen geschlossen werden.

Sei es die Integrierung des Museums als effizienter Bestandteil der Nachmittagsangebote für Schul-klassen, die Planung gemeinsamer Projektwochen, das gezielt ausgearbeitete Programm zur Förderung der Zweitsprachen Deutsch bzw. Italienisch und des Englischen oder das verstärkte Angebot an  Lehrerfortbildungen – ein Blick auf das Vermittlungsangebot für Schulen zeugt davon, dass sich in der Südtiroler Museumslandschaft in den letzten Jahren Vieles getan hat.

 

Brita Köhler arbeitet als Kunstvermittlerin im Museion – Museum für moderne und zeitgenössische Kunst Bozen.

PRAXIS