Was von den Römern übrig ist

Schüler/innen begeben sich auf Spurensuche

Schüler/innen des Humanistischen Gymnasiums „Walther von der Vogelweide“ in Bozen schlüpften im Rahmen eines dreitägigen Archäologie-Praktikums in die Rolle von Archäologinnen und Archäologen und erlebten, wie spannend die Auseinandersetzung mit der Antike ist.

von Priska Neulichedl

 

Die Schüler/innen, die mit viel Elan und Begeisterung an die Sache gingen, stammen aus der klassi-schen Fachrichtung des Humanistischen Gymnasiums. Seit fünf Jahren besteht dort die Möglichkeit, in der dritten oder vierten Klasse ein dreitägiges Archäologie-Praktikum zu absolvieren, das in Zusam-menarbeit mit außerschulischen Institutionen angeboten wird.

Die Auseinandersetzung mit der Antike soll sich in der Schule nicht allein auf die Beschäftigung mit den klassischen Sprachen Latein und Griechisch beschränken, sondern fächerübergreifend erfolgen und den Blick der Schüler/innen auch verstärkt auf die Gegenwart lenken. Durch die Vernetzung mit anderen Institutionen wird ein breiteres Bildungs- und Kulturverständnis gefördert. Verstärkte Projekt- und Fördertätigkeit sind ein wesentliches Anliegen der Schule. 

Graben ist Knochenarbeit

Dass es so anstrengend sein könnte, damit hatten die Schüler/innen nicht gerechnet, als sie ihr Praktikum antraten – roch es doch eher nach Abenteuer, Spannung und Unterhaltung. Dass Graben aber auch harte Knochenarbeit ist und das unter sengender Mai-Hitze, und dass sie nicht innerhalb kürzester Zeit Funde von herausragendem Wert machen würden, das wurde den Schülerinnen und Schülern ganz schnell klar!

Drei Tage lang Archäologe sein

Das Praktikum findet in der Regel Ende Mai statt und besteht aus einem Tag im Fundarchiv in Frangart und aus zwei Tagen an einer Grabungsstätte. Begleitet werden die Schüler/innen von einer Lehr-person. Gemeinsam mit Archäologinnen und Archäologen aus dem Amt für Bodendenkmäler in Bozen und in Zusammenarbeit mit einer Südtiroler Grabungsfirma, in unserem Fall der Firma Rizzi aus Brixen, erleben die Schüler/innen, was es bedeutet, eine Archäologin/ein Archäologe zu sein.

Im Vorfeld wird zwischen der Schule und dem Amt für Bodendenkmäler eine Vereinbarung abge-schlossen. Damit sind die Schüler/innen während des Praktikums unter Aufsicht; versichert sind sie während des Praktikums über die Schule.

Im Fundarchiv

Der Tag im Fundarchiv in Frangart zeigt den Jugendlichen, was mit Fundstücken aus ganz Südtirol passiert: Sie werden gewaschen, wenn möglich rekonstruiert, analysiert und datiert, katalogisiert und konserviert. Nach einem Rundgang durch das Depot und einer Einführung dürfen die Jugendlichen ganz unterschiedlichen Tätigkeiten nachgehen und unter Anleitung von Fachleuten Keramik-Puzzel-teile zusammenfügen, Metalle reinigen u. a. m.: „Die Puzzle-Arbeit bei der Keramik-Restaurateurin fand ich ein wenig frustrierend, doch so wurde mir bewusst, wie viel Arbeit und Zeit hinter einer fertig restaurierten Vase steckt“, befand eine Schülerin. „Ich hingegen fand die Arbeit mit Metallen besonders spannend, weil wir selbst kleine Fundstücke mit verschiedenen Geräten bearbeiten durften“, berichtete eine andere Schülerin.

Erstaunt waren die Schüler/innen über die Konservierung von Holz, weil die meisten Holzstücke einfach in Zuckerwasser oder destilliertem Wasser gelagert werden. „Die Holzkonservierung war hochinteressant, doch dabei hat es sehr stark gerochen.“ So lautete die Rückmeldung der Klasse.

Knochen, Scherben und wertvolle Münzen

Die zwei Tage Ausgrabungen im Freigelände, beispielsweise in Waidbruck und in Elvas bei Brixen, verbringen die Schüler/innen an der Seite von Archäologinnen und Archäologen, was ihnen erfahrungsgemäß ganz besonderen Spaß macht: Sie tragen gemeinsam Erdschichten ab, vermessen Gelände, sieben Sand aus und schleppen Steine.

„Die Archäologen begegneten uns offen und zuvorkommend. Wir durften auch technische Geräte wie Metalldetektoren benutzen, was unsere Begeisterung noch weiter gesteigert hat.“ Soweit waren sich die Schüler/innen einig, und sie übten sich auch in Geduld: „In Waidbruck filterten wir am zweiten Tag Erde mit einem Sieb, immer in der Hoffnung, auf etwas Wertvolles zu stoßen. Obwohl wir am Vor-mittag nichts außer Knochen, Scherben und Glasteile fanden, gaben wir die Hoffnung nicht auf. Schließlich war es soweit: Nikita entdeckte eine Münze aus konstantinischer Zeit, aber er musste sie abgeben.“

Am Anfang stehen viele Fragen

Das Archäologie-Praktikum ist fächerübergreifend angelegt; an der Vorbereitung sind die Fächer Geschichte, Latein, Naturkunde und die Sprachenfächer beteiligt. Ausgangspunkt ist immer die Frage, was von den Römern aus der Antike im Alpenraum übrig bleibt; so bieten sich als Einstieg folgende Impulsfragen und Anregungen an:

  • Wo finden sich heute noch Spuren der Römer? Man denke an Bauten, Ortschaften, Straßenabschnitte, aber auch an lateinische Inschriften oder lateinische Namen und Bezeichnungen, die verwendet werden.
  • Was ist an lateinischen Texten im Tiroler Raum vorhanden? Dazu erfolgt eine kurze Lektüre-Einheit in lateinischer Sprache.
  • Was sind die Aufgaben eines Archäologen?
  • Welche Methoden der Datierung von Funden haben sie zur Verfügung?

Diese Fragen werden auch in einem Workshop behandelt, der von Archäologen des Archäologie-Museums in Bozen angeboten wird. Die Schüler/innen bekommen sogar ein originales Fundstück und erhalten die Aufgabe, dieses Fundstück durch Beschreibung und Vergleich ihres Gegenstandes mit ähnlichen ausgestellten Fundstücken in den Vitrinen zu bestimmen.

Welche Fachbegriffe werden in der Archäologie verwendet und wie heißen sie auf Italienisch und in anderen Sprachen?

Für die Vor- und Nachbereitung des Praktikums inklusive Ausgrabung sind ca. zwei Wochen geplant. „Wir haben die Möglichkeit, ein Praktikum zu absolvieren, sehr geschätzt, da es zum einen eine willkommene Abwechslung zum eher theoretischen Schulalltag bietet, zum anderen eine sehr interessante Erfahrung ist und unseren Horizont sicherlich erweitert hat. Rückblickend ist zu sagen, dass es eine aufschlussreiche, vor allem auch eine angenehme Erfahrung war.“

 

Priska Neulichedl ist Oberschullehrerin in Bozen.

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