Sammeln und sichtbar machen

Das Frauenarchiv Bozen

Der Verein „Frauenarchiv/Archivio storico delle donne“ wurde Ende 2003 gegründet. Seit Frühjahr 2005 hat das Archiv seinen Sitz am Bozner Pfarrplatz, wo es sich die Räumlichkeiten mit der „Frauenbibliothek/Biblioteca delle donne“ teilt.

von Martha Verdorfer

Historische Frauenforschung entstand in den 1970er Jahren im Zuge der zweiten Frauenbewegung und hat sich seither kontinuierlich entwickelt. Zentrale Anliegen sind Frauen als historische Subjekte sichtbar zu machen sowie die Bedeutung von Geschlechterbeziehungen für die historische Entwicklung zu analysieren. Das Frauen-archiv will dafür die notwendige Quellenbasis für die regionale Geschichte schaffen.

Erinnerungslandschaft

Das breite Interesse an der – bis dahin kaum bekannten – Geschichte der Frauen war ein Kennzeichen der neuen Frauenbewegung. Nicht nur Historikerinnen suchten nach den historischen Erfahrungen der Frauen, der Anspruch auf eine eigene Geschichte bzw. eine Geschichte, in der auch Frauen sichtbar sind, war eine zentrale Forderung der Frauenbewegung insgesamt. Dahinter stand die Erkenntnis, dass die Entwicklung eines Geschichtsbewusstseins für die Emanzipation der Frauen zentral ist. „Indem wir uns selbst als Teil der Geschichte verstehen, können wir unseren Horizont über das Hier und Jetzt hinaus erweitern. Wir können uns Entferntes erschließen und unsere Ziele weiter stecken.“ (Gerda Lerner: Zukunft braucht Vergangenheit. Warum Geschichte uns angeht, Königstein/Taunus 2002, S. 284)

Die Gründung von Frauenarchiven steht in engem Zusammenhang mit der neuen Frauenbewegung, da es zunächst v. a. um die Dokumentation der Erfahrungen in eben dieser Bewegung ging. Einige Frauen befürchteten, durch eine „Archivierung“ der Geschichte der Frauenbewegung würden auch ihre Themen und Forderungen der Gegenwart entrissen und in den Archiven versenkt. Das Gegenteil ist der Fall. Archive sind im besten Fall – und für Frauenarchive gilt das in besonderer Weise – Orte, in denen die Zeugnisse der Vergangenheit aufbewahrt sind, nicht um zu verstauben, sondern um hervorgeholt, gelesen und verknüpft und letztlich auch weitergeschrieben zu werden. 

Die Bestände

Obwohl das Frauenarchiv Bozen eine noch junge Institution ist, kann es doch einen beachtlichen Bestand aufweisen, der sich naturgemäß vorwiegend auf die Geschichte der Frauenbewegung in Südtirol konzentriert. Derzeit befinden sich im Archiv Bestände von verschiedenen Frauenorganisationen  (AIED -  Associazione italiana di educazione demografica; Centro Documentazione donne/Frauendokumentationszentrum; Frauenforum), die sich aus Plakatsammlungen, Zeitungsausschnitten sowie Schriftstücken zusammensetzen, die die Tätigkeit der Organisationen dokumentieren.

Daneben gibt es verschiedene private Nachlässe, die aus Tagebüchern, Notizheften, Fotoalben bzw. Fotos und Briefen bestehen.

Neben der Sammlung der schriftlichen Quellen arbeitet das Frauenarchiv seit 2007 kontinuierlich am Aufbau eines Oral-History-Archivs, indem lebensgeschichtliche Interviews mit Frauen durchgeführt werden. Aktuell verfügt das Archiv über rund 70 Lebensgeschichten von Frauen aus allen drei Sprachgruppen in Südtirol, die aus unterschiedlichen sozialen und geografischen Milieus stammen und für dementsprechend vielfältige historische Erfahrungen stehen.

Trotz der Freude über diese Bestände sind wir uns ihres fragmentarischen Charakters bewusst. Angesichts der Fülle realer historischer Frauenerfahrungen handelt es sich um kleine Inselchen im Ozean. Wir sammeln weiter!

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