Das Paradoxon eines hehren ZielsLehrpersonen sollten dazu beitragen, die Schülerinnen und Schüler zu politisch informierten, aktiven und kritischen Menschen zu erziehen. Aber neutral. Ohne politische Lenkung. Im Respekt jedweder politischen Meinung. Ein hehres Ziel. Aber auch ein unlösbares Paradoxon: Eine wertneutrale politische Bildung ist genauso wie eine politisch neutrale Werteerziehung nicht möglich.
Ich bin entlarvt. Denn die Schüler/innen wissen es. Zwar vielleicht nicht, wen ich wähle, aber bestimmt, wen ich nicht wähle. Dabei habe ich niemals davon gesprochen. Ich kann mich ganz unparteiisch geben, mich jeder expliziten Äußerung und Bewertung politischer Inhalte enthalten – obwohl ich mich bei manchen Äußerungen kaum zurückhalten kann, und es auch nicht mag, ehrlich gesagt. Aber in allem, was ich tue und sage, in den Inhalten, mit denen ich meinen Unterricht fülle, in den Fragestellungen, die ich an Inhalte anlege, in der Gestaltung von Projekten wird unweigerlich ersichtlich, wie meine weltanschaulichen Ideen gestrickt sind. Wir können nicht unpolitisch sein. Jedes Wort zu anderen, jede Interaktion mit der Welt ist politisch. Selbst weniger auffallende Signale in der Kommunikation wie Ironie oder tiefer Ernst machen meine Haltung deutlich. Folglich ist alles, was ich als Lehrende und Erziehende tue, sage, verschweige, Ausdruck einer politischen Haltung und somit sind wir als Lehrende unweigerlich, ob wir es wollen oder nicht, in die politische Bildung unserer Jugendlichen verstrickt. In dem Moment aber, wo wir Werte vermitteln – und das tun wir, es ist nur die Frage, welche – sind wir politisch bildend wirksam. Und nicht wertneutral. Im Übrigen fordern die Schüler manchmal auch gezielt eine Stellungnahme zu Ereignissen und sie ertragen es schlecht, wenn man sich unverbindlich daherquatschend dieser Forderung entzieht. Sich hinter Rhetorik zu verstecken, das ist keine gute Lösung. Gerade dadurch setzt man seine Glaubwürdig-keit aufs Spiel. Lange Zeit glaubte ich ja auch selbst, doch so ziemlich unpolitisch zu sein, weil ich das Theater am politischen Parkett nun wirklich nicht durchschaue und weil mir auch manchmal der lange Atem fehlt, mich ständig auf dem Laufenden zu halten, zumal Politik aus vielen Gründen leider allzu oft nicht mehr etwas ist, das man so ganz ernst nimmt. Die viel beklagte Politikverdrossenheit der Bürger/innen, auch von Jugendlichen, resultiert ja gerade daraus. Aber vielleicht ist dies gar keine echte Politikverdrossenheit, sondern nur die Absage an die bestehende Handhabe von Politik. Denn politisches Gestalten drückt sich nicht nur im Wählen aus. Schließlich entwickeln sich immer mehr andere Formen von politischer Beteiligung, die in ihrer Relevanz nicht zu unterschätzen sind, etwa in Diskussionsforen, in ehrenamtlicher Arbeit, in Unterschriftenaktio-nen, sogar in Facebook, wo natürlich auch bedenklicher Wildwuchs möglich ist, wie uns die Erfahrung lehrt. Doch gerade hier sind auch die Jugendlichen sehr aktiv und findig. Ihr politisches Interesse zeigt sich in ihrer Rolle als Klassensprecher/innen, in der Beteiligung an sozialen schulinternen und schulübergreifenden Projekten, in der Teilnahme an Demonstrationen – und wenn dies von Lehrenden und Gesellschaft als Schulschwänzerei abgetan wird, so liegen wir da nicht nur falsch, sondern wir richten auch immensen Schaden an. Ich sehe bei den Schülerinnen und Schülern, die an der Organisation solcher Aktionen beteiligt sind, ein sehr großes soziales Interesse, was ja das eigentlich Politische wäre, und ihre Stärke liegt gerade darin, dass der dahinter stehende Idealismus noch nicht durch Realität oder Resignation abgeschmirgelt ist. Sie arbeiten mit großem Einsatz und Energieaufwand auf diesen Ebenen und sie reagieren enttäuscht darauf, dass ihre Arbeit – auch von Lehrenden – sehr oft kaum wahrgenommen oder vielleicht gar obstruiert wird.
Diese Formen von Engagement müssen Lehrkräfte stärken, hier müssen wir Bewusstsein schaffen, hier beginnt politische Bildung. Fanni A. Storch |
Zaun- gast
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