Eindeutig mehrdeutigHumor als Medium der sozialen Arbeit und der Pädagogik
Sozialarbeiter und Pädagogen sind Menschen, die Lern- und Entwicklungsprozesse und damit menschliche Lern- und Entwicklungsprozesse oder Bewusstseins- und Verhaltensänderungen herbeiführen wollen. Dabei stellt sich die Frage, wie dies ohne Manipulation so erreicht werden kann, dass sowohl die Autonomie und Persönlichkeit der Adressaten gewahrt als auch deren Selbstorganisationsfähigkeit und Kreativität gefördert werden. von Herbert Effinger Untersuchungen der Lernforschung bestätigen die alte These, dass Spaß, Freude und Gelassenheit im Vergleich zu Zwang und Druck die besseren Lehrmeister und Ratgeber sind. In der Praxis stellt sich allerdings die Frage, wie man Situationen herstellen kann, welche nachhaltiges, individuelles und soziales Lernen ermöglichen.
Was kann Humor bewirken? Als eine regulative Instanz kann Humor helfen, mit schwierigen Situationen und Ambivalenzen besser umzugehen. Er kann starre Ordnungen und Muster im Denken, Fühlen und Handeln relativieren und ermöglicht einen gelasseneren Blick auf die Realität(en) unseres Lebens. Humor als Interventionsform einzusetzen bedeutet, Ambiguitätstoleranz gegenüber den eigenen und fremden Widersprüchen oder Unzulänglichkeiten zu entwickeln. Die heilsamen Funktionen des Humors beruhen in der pädagogischen und sozialarbeiterischen Beziehung auf positiven Deutungen vom eigenen Selbst und vom Anderen. Theoretisch und praktisch lässt sich das in pädagogischen Handlungsfeldern beispielsweise sehr gut mit Resilienzkonzepten verbinden. Damit ist die Fähigkeit zum Ausgleich von Fehlern oder Abweichungen bei der Bewältigung von Lebenskrisen und von Ungleichgewichtssituationen gemeint. Eine ähnliche Bedeutung hat im Gesundheitsbereich das Konzept der Salutogenese. Danach wird Gesundheit als Folge eines Kohärenzgefühls interpretiert, das trotz mehrdeutiger und teilweise auch bedrohlicher Diagnosen entstehen kann und als Voraussetzung für die Mobilisierung von Selbstheilungskräften und nachhaltige Genesungsprozesse angesehen wird. Bezogen auf die Veränderung von als defizitär empfundenen sozialen Lagen entspricht dies dem Empowerment-Ansatz in der Sozialen Arbeit. Der Humor hat individuelle Entspannungs- und Ablenkungsfunktionen und stellt gleichzeitig ein sozial verbindendes Element von Gruppenbildungs- und Vergemeinschaftungsprozessen dar. Menschen, die sich gegenseitig respektieren, sind auch Menschen, die über sich selbst und mit anderen gemeinsam Lachen können. Eine humorvolle Haltung und der gezielte Einsatz von Humortechniken in pädagogischen oder beraterischen Settings ermöglicht zudem eine spielerische Relativierung von Asymmetrien, wie sie für pädagogische oder sozialarbeiterische Beziehungen typisch sind. Der Einsatz von Humor entlastet vom Perfektionsdruck und zeigt, dass auch die „Experten“ fehlbar sind. Wo lässt sich Humor einsetzen? Zunächst lässt sich Humor als eine Form zwischenmenschlicher Kommunikation und Intervention zur Initiierung von Bewusstseins- und Verhaltensänderungen in allen Bereichen und Situationen einsetzen, wo Menschen mit Menschen arbeiten. Das gilt für die Therapie, die Begleitung und Unterstützung von Menschen in schwierigen psychischen oder sozioökonomischen Lebenslagen, für alle Bereiche von Erziehung, Bildung und Beratung sowie für Interventionen im Gemeinwesen und in Organisationen. Grundsätzlich sollte man zwischen einer humoristischen Haltung und humoristischer Interventionstechnik unterscheiden. Im Mittelpunkt der Interventionskonzepte steht die Grundannahme, dass sich Menschen nur dann ändern, wenn sie die Interventionsziele – das Neue – als vorteilhaft gegenüber dem Alten ansehen. Soll eine Intervention wirksam werden, müssen die dem Erlernen des Neuen entgegenstehenden Muster so konfrontiert werden, dass sie weder beschämen noch jemanden in seiner Autonomie einschränken. Dies kann mittels Humor in einer deutlichen, aber auch akzeptierenden Form geschehen. Allerdings kann es auch ins Gegenteil umschlagen, wenn man diese Technik nicht beherrscht. Insgesamt kommt es dabei weniger auf den Inhalt des Gesagten als vielmehr auf die Art des Gesagten und einen guten Kontakt an. Die Beziehungsebene hat gegenüber der Sachebene einen Vorrang. So kann Humor in folgenden Handlungsfeldern zum Tragen kommen: Beratung In der Sozialer Arbeit verbinden die Kostenträger ihre Hilfeangebote meist mit einem Kontrollauftrag, weil sie den Anspruch auf Bedürftigkeit prüfen und gegenüber der Allgemeinheit legitimieren müssen. Vielen Adressaten ist daher das Aufsuchen einer Beratungsstelle oft unangenehm und mit Scham und Angst verbunden. Beratung in diesem Kontext erfordert somit eine besondere Sensibilität und die Fähigkeit zu wertschätzender Konfrontation. Dafür ist Humor ein geeignetes Medium. Unterstützung In der Arbeit mit älteren Menschen, Kranken und Menschen mit Behinderung geht es um dauerhafte, körperliche und geistige Funktionseinschränkungen Mit Humor kann man diese Menschen dabei unterstützen, diese Widrigkeiten besser zu ertragen und zu bewältigen und sie so besser vor unnötigen Verstrickungen mit dem eigenen Leid schützen.
Erziehung und Bildung Mit Humor und durch Spiele können alternative Verhaltensmöglichkeiten und Dinge ausprobiert werden, die man sich sonst nicht zu zeigen traut. Man nutzt den natürlichen, menschlichen Spieltrieb, um Fantasien und Utopien zu entwickeln, gemeinsam zu lernen, zu kooperieren und um Konkurrenz und Konfliktsituationen spielerisch zu bewältigen.
Gemeinwesenarbeit Im Gemeinwesen lassen sich die Potenziale des Humors insbesondere für die Aktivierung bürgerschaftlichen Engagements nutzen. Wer Spaß mit anderen hat, ist bereit, sich für gemeinsame Aktivitäten zu aktivieren. Verbunden mit Theater, Musik, und bildender Kunst lassen sich soziale Spannungen verringern; dies trägt u. a. auch zu interkultureller Kommunikation bei. Dort wo es lustig zugeht, entstehen ein positives Image und ein Sozialraum, mit dem man sich besser identifizieren kann. Wer kann Humor einsetzen? Humorvolle Menschen sind Menschen mit einer Fähigkeit zur reflexiven Selbst- und Fremddistanzierung. Prinzipiell hat jeder Humor, nur die Humorstile unterscheiden sich voneinander. Wer Humor als Ressource in der sozialen und pädagogischen Arbeit nutzen möchte, benötigt eine gewisse Liebe zur Mehrdeutigkeit. Er oder sie muss außerdem die Fähigkeit zur Selbstreflexion besitzen und den eigenen Humorstil kennen. Erforderlich sind Grundüberzeugungen und positive Menschenbilder, welche durch ein hohes Maß an Liberalität und eine Prise Anarchismus geprägt sind. Wer Humor gezielt einsetzen möchte, sollte selbst in gelassener und positiver Stimmung sein und über kommunikative Basiskompetenzen sowie ein Gespür für die (kulturellen) Grenzen und den richtigen Zeitpunkt verfügen. Hilfreich sind auch sprachliche und mimisch-darstellerische Ausdrucksfähigkeiten.
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