Faszinierende Chemie Kinder und Jugendliche experimentieren gemeinsam
Gummibärchen tauchen nach einem versunkenen Schatz, Flammen werden mit „unsichtbaren Gasen“ ausgelöscht, Kreiden werden zu buntem Schaum und Luftballone werden größer, obwohl sie niemand aufbläst. von Brita Köhler Es sind 17 Lehrpersonen beteiligt und ihre Schüler/innen sind gerade mal 8 Jahre alt. Dieses Szenario bietet sich nicht täglich im Labor des Humanistischen Gymnasiums „Walther von der Vogelweide“ in Bozen, sondern nur am Tag des Projekts „Faszination Chemie“. Das Konzept Die Grundidee des Projekts ist denkbar einfach: Oberschüler/innen begleiten Grundschüler/innen bei der Auseinandersetzung mit faszinierenden chemischen Versuchen. Gemeinsam werden einfache, aber verblüffende Experimente gemacht und die Beobachtungen und Ergebnisse besprochen. Das Projekt wurde vom Verband der Chemielehrer Österreichs (VCÖ) initiiert und wird heuer zum zweiten Mal auch für Südtiroler Schüler/innen angeboten. In Zusammenarbeit mit dem Pädagogi-schen Institut wurden die Materialen (Erlenmeyerkolben, Bechergläser, Trichter, Holzklemmen, ....), Chemikalien und Versuchsanleitungen zur Verfügung gestellt. Bei einem Treffen aller inter-essierten Lehrpersonen wurden die Kontakte zwischen den Klassen der Ober- und Grundschulen hergestellt. Die weitere Organisation war den jeweiligen Partnerklassen überlassen. Und so kam es, dass die Kinder der Klasse 3D der Grundschule Lana, von den 19 Mädchen der Klasse 4D des Bozner Gymnasiums eingeladen wurden, einen Vormittag im Schullabor zu verbringen und gemeinsam zu experimentieren.
Herausforderung für die Gastgeber Die Jugendlichen waren darauf bedacht, kindgerecht zu arbeiten: Arbeitstempo und Sprache mussten an die Achtjährigen angepasst werden und nicht zuletzt mussten – oder vielleicht ist hier der Ausdruck „durften“ treffender – die Jugendlichen im wahrsten Sinne des Wortes, die Welt mit Kinderaugen sehen und erleben. Bereits in der Vorbereitungsphase stellte sich heraus, dass es gar nicht so einfach ist, Erklärungen zu finden, die für ein Kind verständlich, spannend und logisch nachvollziehbar sind. Sich in jeder Hinsicht auf die kindliche Sicht- und Denkweise einzulassen, stellte für die jungen Lehrerinnen wohl die größere Herausforderung dar als die naturwissenschaftliche Auswertung und Erklärung der Experimente. Kinder sind ungeniert direkt und fragen so lange, bis sie eine befriedigende Antwort bekommen. Kinder selektieren nicht vermeintlich „dumme Fragen“ aus, sondern formulieren ihre Anliegen und Fragen einfach und klar: „Warum ist die Seifenblase bunt?“, „Warum wird das Wasser trüb?“ und „Was entsteht, wenn das Wasser blubbert?“ Inhaltlich bzw. aus naturwissenschaftlicher Sicht waren die Antworten meist recht simpel, das kindgerechte Formulieren jenseits des antrainierten chemi-schen Fachjargons, war allerdings nicht ganz einfach und verlangte den Jugendlichen eine ganz andere Sichtweise der Dinge ab. Der Umgang mit den „jungen Forscherinnen und Forschern“ wurde zunehmend entspannter und den Jugendlichen war die Freude an der Zusammenarbeit mit den wissbegierigen Kindern förmlich ins Gesicht geschrieben. Das kindliche Staunen war nach kurzer Zeit auch auf den Gesichtern der Jugendlichen zu sehen und gegen die Ansteckungskraft des kindlichen Lachens war bald schon niemand mehr immun. Anfängliche Berührungsängste (beiderseits) waren binnen kürzester Zeit überwunden und die Faszination der Chemie überkam alle Beteiligten im Nu.
Ein Erlebnis für die Kleinen Eine Gruppe sehr freundliche, disziplinierte und dem ersten Eindruck nach eher zurückhaltende, wenn nicht sogar schüchterne Kinder stieg – in perfekter Zweierreihe – die Treppen bis in den zweiten Stock zum Labortrakt des Gymnasiums empor. Nur die Mutigsten wagten einen Blick in das Labor, wo die 19 Jugendlichen – ebenfalls neugierig – warteten. Vorsichtshalber suchten die Kinder noch Blickkontakt mit ihren vertrauten Lehrerinnen und erst nachdem sie ausdrücklich zum Betreten des Labors aufgefordert wurden, wagten sie den (kleinen) Schritt über die Türschwelle. Die anfängliche Zurückhaltung wich bald schon der Neugier, dem Wissenshunger und der Freude am Ausprobieren. Staunende Gesichter und Gekichere zeugten von der Freude und dem Spaß, den die Kinder beim Experimentieren mit Tafelkreiden, Babywindeln, Luftballons, Teelichtern, Brausetabletten und Rotkohl hatten. Wie im Chemieunterricht der „Großen“ funktionierten auch hier nicht immer alle Versuche exakt nach Vorgabe, doch die Kinder nahmen es mit Gelassenheit und konnten jedem Versuchsergebnis etwas Positives abgewinnen. („Die Seifenblase platzt ja gleich, aber dafür ist sie so schön bunt!“). Kinder nehmen Herausforderungen prinzipiell und ohne Vorbehalt an. Die Haltung, mit der sie sich neuen Dingen stellen, ist eine positive und vor allem humorvolle. Mit Spannung warten sie darauf, was passieren wird und mit einem verschmitzten Lächeln freuen sie sich in jedem Fall über das, was sie beobachten können, auch wenn es vielleicht nicht dem entspricht, was sie sich erwartet hatten. Fragen der Jugendlichen werden nicht als schwierig, sondern als spannend empfunden und falsche Antworten sind zwar nicht richtig, dafür aber lustig. Wenn es den Kindern auch nur ein bisschen gelungen ist, die Oberschüler/innen mit diesem lockeren Zugang zum Thema Lernen und Erforschen anzustecken, dann haben die Jugendlichen vielleicht in diesen zweieinhalb Stunden mehr (fürs Leben) gelernt, als in vielen anderen Unterrichtseinheiten. Die Kinder haben es vorgemacht, wie lustig, spannend und freudvoll das Entdecken, Überlegen und Diskutieren über naturwissenschaftliche Phänomene sein kann. Die Jugendlichen haben den Kindern als kleinen Abschiedsgruß ein paar Lieder vorgesungen. Die Mitbringsel der Kinder waren ein paar einfache, bei vielen Jugendlichen leider oftmals in Vergessenheit geratene Ingredienzien für den Lernerfolg: Gelassenheit, Freude, Spaß und Humor.
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PRAXIS
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