V.A.S. Liebste Leserinnen und Leser! Eigentlich wollte ich für diese Ausgabe gar nichts schreiben. Denn Sie erwarten ja jetzt von mir unweigerlich etwas Lustiges, Humorvolles, nicht wahr? Dabei wissen Sie doch ganz genau, dass eine pädagogische Zeitschrift kein Ort für Späße sein kann! Erziehung ist Schwerstarbeit, sie wird mit Würde und Selbstaufgabe im täglichen heroischen Sisyphos-Kampf erlitten. Lehrer/innen müssen per definitionem humorlos sein. So, wie die Kämpfer im Arabischen Frühling ihr Leben für eine glorreiche, demokratische Zukunft aufs Spiel setzen, müssen auch wir die Zähne zusammenbeißen. Wenn wir die Revolutionäre in Ägypten oder in Libyen lachen sehen, dann am ehesten im Triumphgeschrei. Und da kommt jetzt auch mir ein Grinsen über die Lippen. Die Demokratisierung der Schule ist eine treffliche Chance, diese verkrustete, diktatorische Institution abzuschaffen. Im Zuge der Oberschulreform (bis dato ist es jedenfalls keine Oberstufenreform. Es leben die Berufsschule und die Hauswirtschaft, sie mögen isolierte Oasen bleiben bis zum Tage des Sankt Nimmerlein!) werden auch die neuen Rahmenrichtlinien umgesetzt. Und da ist die autonome Schule gefordert. Die Freiheitskämpfer/innen jeder einzelnen Schulstelle dürfen entscheiden, wie sie sich innerhalb dieses Rahmens zu bewegen gedenken. Und jetzt können wir endlich so nutzlose Randfächer wie Französisch, Rechtskunde oder Kunst abschaffen. Die Mehrheit im Plenum ist gesichert, die großen Fachgruppen werden die Zwerge zerquetschen, ha ha! Ich und meine Verbündeten in Schulpolitik und Schulamt werden uns genüsslich draußen halten und zusehen, wie sich die orientierungslosen Plenarkonferenzen in immer neuen Sitzungen zerfleischen. Erste Berichte meiner Informanten sprechen von eisigem Schweigen in Lehrerzimmern und ruinierten Existenzen. Zusammengelegte Ranglisten und Reißverschlusssysteme werden auch noch die letzten Reste von pädagogischem Reformeifer ersticken. Man könnte noch ganzseitige Inserate für einzelne Schulen in Lokalblättern schalten, etwa in der „BAZ“ oder dem „Puschtra“. Der demokratische Wettkampf aller gegen alle wird das System endlich verschlanken! Wir werden nutzlosen Ballast abwerfen, Schulen abschaffen, überzählige Lehrer/innen zu Etikettenklebern degradieren… Und der Triumph wird meiner sein! Der Südtiroler Schulfrühling ist angebrochen. Ihr Ehrenfried Schullerer	satire

V.A.S.

Liebste Leserinnen und Leser!

Eigentlich wollte ich für diese Ausgabe gar nichts schreiben. Denn Sie erwarten ja jetzt von mir unweigerlich etwas Lustiges, Humorvolles, nicht wahr? Dabei wissen Sie doch ganz genau, dass eine pädagogische Zeitschrift kein Ort für Späße sein kann! Erziehung ist Schwerstarbeit, sie wird mit Würde und Selbstaufgabe im täglichen heroischen Sisyphos-Kampf erlitten. Lehrer/innen müssen per definitionem humorlos sein.

So, wie die Kämpfer im Arabischen Frühling ihr Leben für eine glorreiche, demokratische Zukunft aufs Spiel setzen, müssen auch wir die Zähne zusammenbeißen. Wenn wir die Revolutionäre in Ägypten oder in Libyen lachen sehen, dann am ehesten im Triumphgeschrei. Und da kommt jetzt auch mir ein Grinsen über die Lippen. Die Demokratisierung der Schule ist eine treffliche Chance, diese verkrustete, diktatorische Institution abzuschaffen. Im Zuge der Oberschulreform (bis dato ist es jedenfalls keine Oberstufenreform. Es leben die Berufsschule und die Hauswirtschaft, sie mögen isolierte Oasen bleiben bis zum Tage des Sankt Nimmerlein!) werden auch die neuen Rahmenrichtlinien umgesetzt. Und da ist die autonome Schule gefordert. Die Freiheitskämpfer/innen jeder einzelnen Schulstelle dürfen entscheiden, wie sie sich innerhalb dieses Rahmens zu bewegen gedenken. Und jetzt können wir endlich so nutzlose Randfächer wie Französisch, Rechtskunde oder Kunst abschaffen. Die Mehrheit im Plenum ist gesichert, die großen Fachgruppen werden die Zwerge zerquetschen, ha ha!

Ich und meine Verbündeten in Schulpolitik und Schulamt werden uns genüsslich draußen halten und zusehen, wie sich die orientierungslosen Plenarkonferenzen in immer neuen Sitzungen zerfleischen. Erste Berichte meiner Informanten sprechen von eisigem Schweigen in Lehrerzimmern und ruinierten Existenzen. Zusammengelegte Ranglisten und Reißverschlusssysteme werden auch noch die letzten Reste von pädagogischem Reformeifer ersticken. Man könnte noch ganzseitige Inserate für einzelne Schulen in Lokalblättern schalten, etwa in der „BAZ“ oder dem „Puschtra“. Der demokratische Wettkampf aller gegen alle wird das System endlich verschlanken! Wir werden nutzlosen Ballast abwerfen, Schulen abschaffen, überzählige Lehrer/innen zu Etikettenklebern degradieren… Und der Triumph wird meiner sein!

Der Südtiroler Schulfrühling ist angebrochen.

Ihr Ehrenfried Schullerer