Filme sollen Menschen berühren und unterhaltenDer Filmclub Bozen Der Film ist längst nicht mehr ein reines Konsumgut, das lediglich der Unterhaltung dient, sondern erlebt immer mehr einen Aufschwung zum bildenden und Gedanken anregenden Medium.“forum Schule heute“ hat mit dem scheidenden und dem neuen Programmleiter, Martin Kaufmann und Raimund Obkircher über Stellenwert, Rolle und Aufgaben von Film und Kino gesprochen. f: Können Sie den Werdegang und die Entwicklung des Filmclubs umreißen?
Martin Kaufmann: Der Filmclub ist eine Nachfolgevereinigung der 1967 gegründeten „Südtiroler Filmrunde“. Der Initiator Herbert Denicolò vom Amt für außerschulische Jugendarbeit legte Wert darauf, die Vereinigung „Filmclub der Jugend“ zu nennen, allerdings wurde dieses Attribut bald wieder fallen gelassen. Der Filmclub hat in seinen Anfangszeiten wöchentlich in verschiedenen Sälen Bozens Filme gezeigt. Bald haben sich Außen-sektionen gebildet. Erst 1983 wurde ein erstes Kleinkino eröffnet und es kam zu regelmäßigen Filmvorführungen. 1989 zog der Filmclub in ein ehemaliges Magazin um, das mit Unterstützung des Kulturassessorates umgebaut wurde. 2001 wurde das Capitolkino übernommen. Bis dahin war der Filmclub das einzige Kino in Bozen, das deutschsprachige Filme gezeigt hat. f: Ist das Kino ein Auslaufmodell oder immer noch angesagt?
Raimund Obkircher: Das Kino gibt es seit über 100 Jahren. Es ist schon oft für „tot erklärt“ worden und dennoch ist es zur Zeit lebendiger als je zuvor. Seit ungefähr 7-8 Jahren erlebt das Kino wieder einen Aufschwung. Ähnlich wie das Medium Zeitung immer wieder als Auslaufmodell betrachtet wird, Statistiken aber das Gegenteil beweisen, wird auch das Kino nie aussterben. Kinofilme wird es wohl immer geben, die Aufgaben des Kinos werden sich allerdings ändern. f: Was kann das Kino dem Jugendlichen bieten, was Fernseher, Home-Kino oder Computer nicht bieten können?
Kaufmann: Wir bieten den Jugendlichen niveauvolle und anregende Unterhaltung. Literaturverfilmungen und Filme mit sozialem Charakter bieten den jungen Menschen Möglichkeiten, sich zu informieren und sich mit gesellschaftlich relevanten Themen auseinanderzusetzen. Obkircher: Die große Leinwand und der perfekte Ton ermöglichen es, dem eigentlichen Ziel der Filmemacher gerecht zu werden, denn Filme werden fürs Kino und nicht für den Fernseher gemacht. Im Kino gibt es keine Ablenkungen; der Gast lässt sich voll und ganz auf den Film ein. Hinzu kommt das Gemeinschaftserlebnis: man schaut den Film alleine an, ist aber nicht alleine und man bekommt unwillkürlich mit, wie der Film auf andere wirkt. Jede/r hat die Möglichkeit, sich nach dem Film mit anderen Menschen auszutauschen.
f: Kann das Kino einen Beitrag zur Persönlichkeitsbildung junger Menschen leisten?
Obkircher: Der Filmclub zeigt Filme mit künstlerischem Anspruch, die nicht nur reine Unterhaltung bieten, sondern auch Botschaften vermitteln. Die Vorführung des aus dem Jahre 1923 stammenden Stummfilms „Safety Last!“ mit Harold Lloyd z. B. hat gezeigt, dass solche Filme auch Kinder und Jugendliche begeistern können. Der Film dauert etwas mehr als eine Stunde und liefert mehr Spannung als herkömmliche Actionfilme. Man hat es auch an der Reaktion des jungen Publikums gemerkt, wie positiv überrascht es von dem Film war und dass es sich niemals erwartet hatte, dass ein Stummfilm so spannend und unterhaltsam sein kann. Der Filmclub bietet auch Filmgeschichte und spricht damit nicht nur Erwachsene an.
f: Können sich die Kinobesucher auch aktiv mit dem Medium Film auseinandersetzen?
Obkircher: Seit dem Herbst 2010 werden in der Reihe „Specials am Donnerstag“ Filme gezeigt, zu denen entweder die Filmemacher oder die Protagonisten eingeladen werden oder es gibt eine Einführung zum Film. Nach der Vorführung hat das Publikum die Möglichkeit, mit den Filmemachern oder Darstellern in Kontakt zu treten. Es können Sichtweisen ausgetauscht und Hintergrundinformationen eingeholt werden. Dieses Angebot ist mit mehr Aufwand verbunden als die normale Filmvorführung, aber für Filminteressierte ist das ein interessantes Angebot und für Jugendliche oftmals eine gute Gelegenheit, auch hinter die Kulissen zu schauen. Filmbegeisterte können auch einen Blick in einen der Projektionsräume werfen, wo die ca. 15 kg schweren Filmrollen abgespielt werden. Alle Filme, die im Filmclub gezeigt werden, sind 35-mm-Filme. Das Filmmaterial für eine Sekunde besteht aus 24 Einzelbildern. Trotz zunehmender Digitalisierung im Filmbereich muss man sagen, dass die Qualität der 35-mm-Filme immer noch unübertroffen ist.
f: Gibt es Angebote des Filmclubs, die sich direkt an Schulen wenden?
Obkircher: Bereits seit Jahren bietet der Filmclub in Zusammenarbeit mit dem Schulamt das Projekt „Kino und Schule“ an. Schulklassen können von uns ausgewählte Filme, die den Unterricht inhaltlich und medienpädago-gisch bereichern, vormerken und anschauen. Es stehen Unterrichtsmaterialien zur Vor- und Nachbereitung zur Verfügung. Das Angebot kommt sehr gut an, die Schülervorstellungen werden jährlich von mehr als 3.000 Jugendlichen und Kindern besucht. f: Sollte der Film Ihrer Meinung nach fixer Bestandteil des Unterrichtsgeschehens sein?
Obkircher: Ja, das sollte er auf alle Fälle. In Frankreich, dem Land, in dem der Film erfunden worden ist, ist der Film sehr stark in den Unterricht eingebunden. Dass die Bildsprache immer wichtiger wird, sieht man daran, dass in der heutigen Zeit sehr viel fotografiert und gefilmt wird. Das Bild wird im Film durch eine eigene Sprache ergänzt. Die Filmsprache hat eine eigene Struktur und Grammatik. Fast so, wie man eine Fremdsprache erlernen kann, gibt es auch Techniken zum Dechiffrieren der Filmsprache. Das Bild alleine zeigt immer nur einen Teil der Realität. Um die Botschaft des Films als Ganzes zu verstehen, muss der Kinobesucher Bild und Sprache richtig verstehen und interpretieren.
f: Wie definieren Sie einen guten Film? Obkircher: Ein guter Film unterhält und berührt den Besucher, er animiert ihn zum Nachdenken und Diskutieren, beschäftigt ihn längerfristig. Danke für das Gespräch. Die Fragen stellte Brigitte Lintner. |
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