Die Welt erobern
Kinder und Jugendliche erobern die Welt gleichsam in konzentrischen Kreisen. Ausgehend von den Armen der Eltern erweitert sich ihr Horizont schrittweise: Zuerst erforschen sie die Wohnung, dann das Haus, den Hof, die Straße, das Dorf, die Stadt, das Land und den ganzen Globus. Sie besetzen Räume, setzen sich mit diesen auseinander, suchen und finden darin ihre Identität. Es ist nachvollziehbar, dass es Schwierigkeiten gibt, wenn jungen Menschen nicht genügend Räume zur Verfügung stehen. Ihrem Drang nach Entdecken, nach Erobern ist eine Grenze gesetzt, die überwunden werden will… Was dann nicht immer so geschieht, wie sich Erwachsene das vorstellen. Denn immer schon haben Jugendliche Grenzen ausgereizt. Wenn sie auf Widerstände stoßen, wollen oder müssen sie sich daran erproben. Das liegt in der Natur der Sache und wird seit Jahrtausenden mit dem Begriff „Generationenkonflikt“ umschrieben. Wiederholt wird beklagt, dass Kinder und Jugendliche nun immer weniger Räume finden, in die sie eindringen können, die „ihre“ sind. Die moderne Welt, vor allem die Stadt sei kinderfeindlich. Es bräuchte unter ande-rem mehr Kinderspielplätze, Jugendzentren, Bolzplätze und Skaterparks. In diesen Reservaten dürfen sich Heranwachsende austoben. Aber wehe, sie tun dies außerhalb! Zum Glück lassen sich die Nutzer/innen dieser Strukturen nicht so leicht eingrenzen! Sie erobern sich ihre eigenen Räume, besetzen die Straße, die Parks, die Plätze und oft auch Ecken, an die niemand gedacht hätte. Besonders Jugendliche suchen die Freiheit, sie dehnen Grenzen aus. Schließlich geht es doch darum, „sich von der Herkunftsfamilie abzulösen, sich gegenüber der Erwachsenenwelt abzugrenzen und gleichzeitig irgendwie doch erwachsen werden zu wollen.“ (Lothar Böhnisch) Aber eben nicht gerade so, wie die Erwachsenen es erwarten. Dennoch sind geschützte Räume notwendig, vor allem auch für jene Jugendlichen, deren Bewegungsfreiheit tatsächlich eingeschränkt oder äußerst begrenzt ist. Die Gründe für diese Eingrenzung sind vielfältig und haben meist mit sozialen Schwierigkeiten zu tun. So suchen „schwierige“ Jugendliche Begegnungen, Gemeinsamkeit, Selbstbestätigung und -betätigung. All das können betreute Strukturen bieten. Solche Orte dürfen jedoch nicht als Aufbewahrungsstätte für Randgruppen, die man „von der Straße haben“ will, missverstanden werden. In diesem Fall würden sie wohl von den meisten Jugendlichen gemieden werden. Schließlich will niemand ausgegrenzt werden; die Chance, eigene Möglichkeiten zu entfalten, sollte allen zustehen. Was für Kinderspielplätze und Jugendtreffs gilt, lässt sich auch für die Schule denken. So gelesen könnte die Schule ein geschützter Raum zur freien Entfaltung von Geist und Körper sein. Wir können den Schülerinnen und Schülern die geeigneten Wege, Mittel und Räume zu einer verantwortungsvollen Eroberung der Welt zugestehen.
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frei heraus gesagt
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