Vom Smartphone zum Tablet

Unterrichtsminister Francesco Profumo verweist auf die Problematik, dass es in Bezug auf die Nutzung digitaler Medien eine große Diskrepanz zwischen den Erwachsenen und den Jugendlichen gibt. Er betont, dass dies für die Schule und den Unterricht eine große Herausforderung darstellt. Seine Visionen gehen dahin, dass Schüler/innen Tablets nutzen.

von Christian Laner

Das neue Smart-TV steht im Wohnzimmer, die neue digitale Welt hat eine neue Dimension erreicht. Die Bedienung lässt sich durch das Ipad ersetzen, vermutlich etwas für Profis, wenn man dies zum Laufen bringen möchte. Dies ist der erste Gedanke. Aber weit gefehlt. Der Vater, ein Informatiker und Technikfreak, hat diese Funktion bewusst ausgeschaltet, damit sein 11-jähri-ger Sohn nicht ständig das Internet über das Fernsehgerät nutzt. Als es im Wohnzimmer auffallend leise ist, schaut er nach und sieht, wie Tommy mit dem Ipad das Fernsehgerät bedient. Der Kommentar des Jungen ist: „Hör mal, Papi, du hast vergessen, auf dem Ipad die Smartfunktion zu aktivieren, ich hab dir alles vorbereitet, damit wir uns nicht mehr den Kopf zu zerbrechen brauchen. Es funktioniert jetzt und wir können im Internet am Fernsehgerät surfen und auch über das Internet Filme gucken.“

Anna, 10 Jahre alt, kann es nicht erwarten, dass ihr Vater nach Hause kommt. Sie weiß, dass er sich ein neues Smartphone zugelegt hat. Als er endlich kommt, fragt sie, ob sie es sich anschauen darf. Trotz der Bedenken, ob sie wohl nichts durch-einander bringe, da er ja selbst noch keine Ahnung hat, wie das Gerät funktioniert, gibt er es ihr. Wenige Minuten später bedient sie das Gerät, dass dem Vater schwindlig wird. Er versteht nicht, wie sie das macht, denn sie hat alle grundlegenden Funktionen innerhalb kürzester Zeit für sich geklärt. Dafür hätte der Vater mit Anleitung mehrere Tage gebraucht. Als er fragt, wie sie das macht, bekommt er zur Antwort, dass dies alles ganz logisch aufgebaut sei. Der Vater kämpft heute noch mit den verschiedenen Möglichkeiten des Smartphones.

Sophia, 4 Jahre alt, hat bei ihrer Tante ein Tablet entdeckt, das diese am Tag vorher gekauft hat. Sie hat noch nicht damit gearbeitet, weiß nur, wie man es einschaltet. Die Kleine nimmt das Gerät mit Begeisterung in die Hand, bewegt sich zwischen den Seiten mit den Fingern souverän hin und her und entdeckt ein Zeichenprogramm. Zwei Stunden lang zeichnet sie auf dem Gerät mit den Fingern und produziert ein Bild nach dem anderen, das sie dann als Film ablaufen lassen kann. Das Mädchen ist mit höchster Konzentration bei der Sache und hat innerhalb kürzester Zeit den intuitiven Zugang für sich erschlossen.

 

„Eingeborene“ der digitalen Welt

Diese drei Beispiele zeigen auf, wie groß die Veränderungen in der digitalen Welt sind und wie Kinder heute damit umzugehen vermögen. War bisher der PC mit großem Bildschirm und Tastatur das dominierende Gerät, treten an dessen Stelle neue, kleine, handliche Geräte, die mit einer neuen Art der Benutzung gekoppelt sind. Nicht mehr die Tastatur steht bei diesen Geräten im Zentrum, sondern die Nutzung mit Hilfe der Finger. Bei den neuen Generationen werden die Geräte mit der Stimme gesteuert. Wurde bisher in Google der Suchbegriff eingetippt, kann dies nun mit Hilfe der Stimme gemacht werden; Suchbegriffe werden wie SMS oder auch ganze Texte diktiert. Dies bedeutet eine andere Art des Umgangs, eröffnet gänzlich neue Möglichkeiten. Aber es beschränkt sich nicht darauf, Texte zu produzieren. Diese Welt erschließt sich der jungen Generation erheblich einfacher als den meisten Erwachsenen. Ob wir heute von der Netzgeneration, den IT-Natives oder, wie zuletzt im Radio zu hören war, von den Eingeborenen der digitalen Welt sprechen, all diese Begriffe zeigen, dass die jungen Menschen in einer anderen Welt aufwachsen, als wir es erlebt haben.

 

Die Vision des Unterrichtsministers

Der italienische Unterrichtsminister Francesco Profumo hat in einem Interview (www. repubblica.it/scuola/2011/12/22/news/profumo-27071387 am 22.12.2011) auf die Problematik hingewiesen,  dass es diese Diskrepanz zwischen uns Erwachsenen und den Jugendlichen gibt und dass dies eine große Herausforderung darstelle. Es sollen vermehrt Bücher in digitaler Version verfügbar gemacht werden, die dann auf den Tablets oder eBook-Readern gelesen werden können. Es erscheint mir aber doch zu wenig, wenn die Schule den Einsatz dieser Geräte nur dafür forciert. Vielmehr wird es notwendig sein, sich darüber Gedanken zu machen, welche anderen Möglichkeiten zur Nutzung dieser neuen Art von Geräten und der neuen Programme, die nicht mehr in der klassischen Version von Software, sondern in Form von Apps (steht für: Applikationen, kleine Programme, die teils kostenlos, teils sehr preiswert sind) angeboten werden, sich für den Unterricht eröffnen.

Die Vision des Unterrichtsministers geht dahin, dass die Schüler/innen nicht mehr schwere Bücher in die Schule tragen, sondern über ein Tablet verfügen. Das Gerät soll im Unterricht für alle möglichen Bereiche genutzt werden, wobei endlich die entscheidenden Schritte von der reinen Schreibkultur hin zu neuen Möglichkeiten im Fremdsprachenunterricht und in den einzelnen Fächern wie Mathematik, Geschichte, Geografie oder Musik gemacht werden. Auf dem Markt sind unzählige Apps verfügbar, die für den Unterricht eingesetzt werden können. Auch die Online-Angebote haben deutlich an Qualität gewonnen, wie die Sprachkurse von busuu oder babbel zeigen.

 

Metareflexion für kritisch-konstruktiven Umgang

Diese Welt ist eine Realität und es kann nicht sein, dass sich die Schule diesbezüglich nicht daran beteiligt. Viele junge Menschen beherrschen die Technik, aber sie sind, auch auf Grund ihres Alters, nicht fähig, damit kritisch umzugehen. Kritisch heißt hier, zu durchschauen, was ihre Aktivitäten im Netz, im Internet – auch langfristig – bedeuten. Wer sich heute mit den sozialen Netzwerken beschäftigt, weiß häufig nicht, was mit all den Fotos, den Texten oder auch den verschriftlichten Gedanken passiert; dies ist sehr schwer zu durchschauen.

Es ist in meinem Verständnis nicht notwendig, dass die Lehrpersonen alles wissen müssen. Vielmehr erachte ich es als interessanten Weg, sich gemeinsam mit den jungen Menschen auf den Weg machen und mit ihnen diese Welt erschließen: Sie unterstützen uns im Umgang, wir unterstützen sie in der Metareflexion, die sie zu verantwortungsbewussten Nutzerinnen und Nutzern der Medien macht.

Eine Schule, die die digitale Welt vollkommen ausblendet, wird ihrem Bildungsauftrag nicht mehr gerecht. Die digitale Welt ist ein Teil der Kinder- und Jugendwelt, wir müssen diese Welt in die Schule holen. Unterricht kann an Qualität gewinnen, wenn Lehrerinnen und Lehrer zulassen, dass dies ein Teil der Lebenserfahrungen der jungen Menschen ist. Ein kritisch-konstruktiver Umgang damit sollte das gemeinsame Ziel sein. Vorerst kommen die digitalen Instrumente an sieben Südtiroler Schulen probeweise zum Einsatz.

Informationen, Anregungen und Diskussionen finden Sie auf www.blikk.it in der Arbeitsumgebung „Lernen mit digitalen Medien“.

 
   
   
Christian Laner ist Mitarbeiter des Bildungsressorts im Bereich Innovation und Beratung mit den Schwerpunkten Kommunikations- und Informationstechnologische Bildung und Unterrichtsentwicklung nach reformpädagogischen Konzepten.

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