Lichtblick, aber keine Patentlösung

 

Zahlen belegen die zunehmende Frauenlastigkeit des Lehrberufs, eine Entwicklung, die sich seit einigen Jahrzehnten fortsetzt – als Spiegel für die Sicht auf das Dasein der Lehrerinnen und Lehrer und den gesellschaftlichen Stellenwert von Schule und Bildung im Wettbewerb mit anderen Werten und Berufszielen.

von Christoph Buratti

 

Am 31.12.2009 unterrichteten an Südtirols Schulen insgesamt 11.847 Lehrpersonen. 3.145 davon waren an Landesschulen, d. h. Berufsschulen, Kindergärten und Musikschulen beschäftigt, während 8.702 ihren Dienst an den Staatsschulen, also in Grund-, Mittel- und Oberschulen versahen. Von den insgesamt 8.702 Lehrpersonen der staatlichen Schulen waren 1.943 Männer (22%) und 6.759 Frauen (78%). In der Grundschule betrug die Männerquote 9%, in der Mittelschule 27% und in der Oberschule 39%. Unter den  insgesamt 3.145 Lehrpersonen an den Landesschulen hingegen waren 916 Männer (29%) und 2.229 Frauen(71%).

Die Zahlen von 2009 unterscheiden sich nicht signifikant von jenen des Jahres 2011, stehen aber in einem großen Gegensatz zu jenen der 50iger, 60iger und 70iger Jahre. Auch unterscheidet sich die Entwicklung auf Südtiroler Ebene nicht sonderlich von jener auf gesamtstaatlicher Ebene, wo 1994 noch 28%, im Jahre 2006 jedoch nur mehr 23% aller Lehrpersonen Männer waren.

 

Erklärungsversuche

Auf die Frage nach dem „Warum“ dieser Entwicklung hat jeder Betrachter seine eigene Ansicht, die aber grundsätzlich in der gesellschaftlichen Bewertung des Lehrberufes insgesamt zu suchen ist.

In der allgemeinen Diskussion zum Thema Feminisierung des Lehrberufes fokussieren sich die Meinungen in Richtung eines für die gesamte Kategorie unbefriedigenden Lehrerinnen- und Lehrer-Bildes in der Bevölkerung. Auch aufgrund des in den vergangenen Jahrzehnten gestiegenen Wohlstandes in unserem wirtschaftlich florierenden Land  haben die einstmals trotz niedriger Gehälter hochangesehenen Lehrer mehr und mehr an gesellschaftlicher Wertschätzung verloren, da sie einkommens-mäßig schlecht eingestuft waren und so mehr und mehr als Verlierer der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung dastanden. Die Geringschätzung kultureller und bildungsrelevanter Themen im Verhältnis zu einer übertriebenen Wertschätzung materieller Werte tat ein Übriges. Der Lehrberuf bekam in der Folge den Anstrich, ein Frauenberuf zu sein und im Rahmen der Lebens-planung zur Absicherung der Pensionsansprüche zu dienen. Die zeitliche Beanspruchung (im Gegensatz zu heute, weit geringer) und die berufliche Sicherheit dürften für viele ausschlaggebend gewesen sein: ideal für Familienplanung oder eine gute Ausgangsposition für spätere freiberufliche Karriereüberlegungen. Lehrerdasein als Teilzeitjob Bevölkerung und Medien hatten (und haben teilweise auch heute noch) ihr Urteil rasch gefällt.

 

Zuspitzung in der Verteilung

Mit zunehmender Herabstufung der gesellschaftlichen Wertschätzung des Lehrberufes nahm die Anzahl der Männer ab und jene der Frauen zu. Männliche Vorbilder in der Erziehung in der Schule und auch zu Hause sind Mangelware, die Arbeitswelt im Gegensatz dazu grundsätzlich eine Männerdomäne.

Ein größerer Männeranteil in der Arbeitswelt Schule – vom Kindergarten bis zur Oberschule – wird von allen Seiten gewünscht. Auf die Frage, wie dies bewerkstelligt werden soll, gibt es keine Patentlösung, wohl aber einen Lichtblick. Teile der Bevölke-rung messen der schulischen Ausbildung zunehmend größere Wichtigkeit zu, was zu einer größeren Wertschätzung der Lehrerund Lehrerinnen an Südtirols Schulen führen wird. Diese kann und wird neben einer verbesserten ökonomischen Behandlung die Grundlage sein für die Entscheidung junger Männer, diesen verantwortungsvollen Beruf zu ergreifen. 

     
Christoph Buratti unterrichtet an der Handelsoberschule in Bozen und ist Mitglied des ASM-Vorstandes.
 

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