Frauendomäne Grundschule

 

Waren vor hundert Jahren vorwiegend Männer die Lehrenden, so hat sich das mittlerweile stark verändert. Vor allem in der Grundschule sind männliche Lehrpersonen selten, männliche Erzieher im Kinderarten sind eine noch größere Rarität.

von Sonia Klotz Spornberger

 

Heuer gibt es in dem mehrheitlich femininen Lehrerkollegium der Grundschule Gries mit 36 Lehrpersonen einen Religions- und einen Italienischlehrer. Gut, dass es sie gibt. Mütter, Tagesmütter, Omas, Erzieherinnen im Kinderhort, Kindergärtnerinnen und  Lehrerinnen begleiten unsere Kinder von Geburt an bis in die Pubertät  – Väter sind in vielen Familien  eher wenig oder nicht präsent. Nicht selten kommen Kinder erst in der Mittelschule in Kontakt mit einer männlichen Erziehungsperson. Mit etwas Empathie können wir uns vorstellen, dass Buben, denen männliche Bezugspersonen im familiären Umfeld fehlen, Suchende nach Identifikation mit ihrem Geschlecht sind. Umso wichtiger sind männliche Vorbilder im Lehrberuf. Was Buben taugt und ihren Bedürfnissen entgegen kommt, deckt sich oft nicht mit dem, was Mädchen interessiert. Doch Grundschullehrer gibt es immer weniger, auch an der Fakultät für Bildungswissenschaften in Brixen ist männlicher Nachwuchs kaum in Sicht.

 

Anforderungen, Attraktivität, Mobilität

Einsatz und Professionalität sind im Lehrberuf unerlässlich. Wird dies von der Gesellschaft anerkannt, gewinnt der Beruf an Attraktivität. Das Ansehen des Berufsbildes macht den Lehrberuf unter Umständen auch für Männer (wieder) interessant(er). Die Entlohnung spielt eine ebenso wichtige Rolle, denn nur eine gute akademische Ausbildung und stete Weiterbildung können eine hohe Qualität in Erziehung und Unterricht gewährleisten.

Berufsentscheidungen dürften künftig jedoch mehr als bisher von Überlegungen bezüglich Sicherheit und Veränderung begleitet werden. Das Motto „Einmal Lehrer/Lehrerin, immer Lehrer/Lehrerin“ wird zielstrebige Männer und Frauen kaum noch motivieren; sie nehmen Herausforderungen an und suchen gegebenenfalls nach Möglichkeiten Veränderung, haben vertikale und horizontale Mobilität im Auge. Junge Menschen werden sich in ihrer Berufsbiografie nicht mehr für ihr ganzes Leben festlegen können.

Zeitgemäße Chancen für Veränderung können allzu starre Routinen aufbrechen, wenn nicht gar verhindern. Ich denke hier z. B. an Qualifikationen in anderen pädagogischen Tätigkeitsfeldern und Vernetzungen des Lehrberufs mit den Bereichen Soziale Arbeit und Sozialpädagogik, vor allem auch mit der Jugendarbeit – verbunden mit entsprechendem Rollenbewusstsein.

 

Väter in den Schulhöfen

Ein Blick in (städtische) Schulhöfe zeigt eine neue Entwicklung: Öfters als vor wenigen Jahren begleiten neuerdings Väter ihre Kinder in die Schule, holen sie mittags ab, besuchen die Sprechstunden bei Lehrpersonen und engagieren sich in der Eltern-vertretung. Ein neuer Trend? Erfolgt in jungen Familien vermehrt gleichberechtigte Vater-Mutter-Erziehung? Übernehmen Väter mehr Verantwortung in der Familiengestaltung? So scheint es zumindest. Dieser Trend könnte sich fortsetzen – von der bewussten Vaterrolle zur Rolle des männlichen Erziehers, z. B. auch des Lehrers in der Unterstufe, wenn… ja, wenn die erforderliche Ausbildung vorhanden oder realisierbar ist.  

 

Grundschule gemischter beleben

Der KSL wirbt für mehr Männer an den Grundschulen – für einen besseren Ausgleich zwischen den Geschlechtern, als Identifikationsmodelle für die Buben, auch damit sich Burschen der Institution Schule und den Bildungsanliegen (wieder) näher fühlen können. Doch auch im Berufsverband KSL, in dessen Bundesleitung es vor zwanzig Jahren noch mehrheitlich männliche Vertreter der Südtiroler Lehrerschaft gab, hat sich das Bild gewandelt. Heute sind Vorsitz und Vorstand des Verbandes in weiblicher Hand.

Eine natürliche Ausgewogenheit wäre durchwegs erstrebenswert.

Stellungnahmen und Meinungen zu diesem Thema werden im KSL gerne entgegengenommen. Für eine weiterführende Diskussion: info@ksl.bz.it

     
Sonia Klotz Spornberger ist Lehrerin an der Grundschule Gries und Vorsitzende des Lehrerverbandes KSL.
 

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