Die beste Lösung ist reden

Dieser Freitag im März hatte es in sich. Es brodelte an allen Ecken und Enden und keiner wusste so richtig warum. Solche Tage gibt es hin und wieder, erst recht an einer Schule wie dem Berufsbildungszentrum Bruneck, an dem sich im Laufe eines Schuljahres an die 1500 Jugendliche Menschen begegnen.

von Marlene Kranebitter

 

An eben diesem Freitag war auch der Trainingsraum gut besucht. Nach der Idee von Heidrun Bründel und Erika Simon ist in diesem Raum in der ehemaligen Hausmeisterwohnung für Schülerinnen und Schüler eine kurze „Auszeit“ vom Unterricht möglich, ehe eine Situation in der Klasse eskaliert. Sozusagen eine Art der Konfliktlösung, die nicht vor der gesamten Klassen ausgetragen wird und damit dem Konflikt häufig auch die Schärfe nimmt. Der Fokus wird auf die Eigenverantwortung gelegt.

Am Anfang wurde der Trainingsraum von vielen – Schülerinnen, Schülern und Lehrpersonen gleichermaßen – milde belächelt. Was sollte dieses Reflektieren über das eigene Verhalten schon bringen? Mittlerweile jedoch wird der Trainingsraum als Chance gesehen, als Chance, einem  Konflikt auf eine etwas andere Weise zu begegnen oder ihm gar auszuweichen. 

Es gibt ein paar wenige klare Regeln für das Miteinander in der Schule, so klar, dass sie nicht diskutiert werden können, und es gibt klare Konsequenzen. Wer drei Mal im Trainingsraum war, bei dem werden die Eltern zum Gespräch eingeladen. Trägt dieses Gespräch keine Früchte, trifft sich der Klassenrat, um über weitere Maßnahmen zu beraten.

Die Schülerinnen und Schüler, die in den Trainingsraum geschickt werden – im heurigen Schuljahr waren es über 100 – kommen eher aus den unteren Klassen. Sie scheinen die größeren Schwierigkeiten zu haben, wenn es darum geht, Regeln einzuhalten und sie scheinen auch die härteren Methoden im Umgang mit Konflikten zu haben. Die jüngsten Vorkommnisse im Bereich des Cybermobbings zeichnen ein deutliches Bild. Offenbar gelingt es den Jugendlichen im Laufe der Zeit aber immer besser, gut mit Lehrpersonen und Mitschülerinnen und Mitschülern auszukommen, offenbar gelingt es immer besser, sich zu behaupten, ohne jemanden zu verletzen.

Was liegt also näher, als wieder einmal meine 5A zu fragen, 15 hoffnungsfrohe junge Menschen, die kurz vor der Matura stehen und einige turbulente Monate mitsamt dem Maturaball, der Facharbeit und jeder Menge Schularbeiten hinter sich haben.

„Bei Konflikten fühle ich mich stark, wenn ich weiß, dass ich Recht habe“, meint Christian. Früher, da habe er recht gerne geflucht, wenn ihm etwas nicht gepasst habe, heute versuche er, die Ruhe zu bewahren. Die Ruhe bewahren und „mit sanften Worten einen Konflikt lösen“, das möchte auch Anna. „In den letzten Jahren habe ich gelernt, dass man reden muss, wenn man mit jemandem ein Problem hat.“  Verschiedene Hilfsmittel „in puncto Argumentation, Mimik und Gestik“ verwendet der sprachgewandte Günther, um sich zu behaupten. „Ich mache die gegnerische Partei mundtot, durch komplexe und schnell aufeinander folgende Sätze, gewürzt mit allerlei Fachbegriffen.“ Jessica hingegen ist ein Mensch, der eher dazu tendiert, Konflikten aus dem Weg zu gehen: „Mir fällt es schwer, über Streitigkeiten zu reden, ich diskutiere auch nicht gerne lange herum. Wenn man mich auf ein Problem anspricht, empfinde ich das als eher unangenehm. Das war immer schon so. Was sich aber in den letzten Jahren geändert hat, ist, dass ich mich immer öfter traue, meine Meinung zu sagen.“ „Tief durchatmen, nicht zu lange warten und sich dem Konflikt stellen“, das ist das Patentrezept von Elisabeth. „Wenn man darüber redet, wird es besser.“ Schreien, oberflächlich kontern oder gar zuschlagen, das ist für Georg nicht akzeptabel. „Ich versuche stets, ein niveauvolles Gespräch zu führen, und ich muss nicht immer gewinnen.“ Auseinandersetzungen und Konflikte gehören zum Leben „und da ist die beste Lösung immer noch das Reden“.

     
  
 

Marlene Kranebitter ist Psychologin, Psychotherapeutin und Berufsschullehrerin.

Sie unterrichtet Deutsch und Geschichte an der Hotelfachschule und ist zusätzlich Pädagogische Leiterin am Berufsbildungszentrum Bruneck.

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