Wohldosierte Hilfe

Sie ist ein zweischneidiges Schwert, die Sache mit dem Integrationsunterricht. Irgendwie ist er nicht mehr wegzudenken und gleichzeitig sollte er so unauffällig sein wie möglich. Wohldosierte Hilfe, ohne dass sich jemand dafür schämen muss. Da sind sich die Jugendlichen am Berufsbildungszentrums Bruneck einig.


von Marlene Kranebitter


Im Grunde ist die Frage, wie der Integrationsunterricht an der Berufsschule gehandhabt wird, ganz einfach zu beantworten. Integrationsunterricht, „den braucht man, wenn man in irgendeinem Fach eine Schwäche hat. Die Stützlehrerin hilft einem dann.“


Die Erwartungen an Integrationslehrpersonen sind jedoch einfach und vielfältig zugleich. Sie fungieren als „Vertrauensperson in Fächern, in denen ich nicht perfekt bin“, als Lehrpersonen, „die die Geduld und die Zeit haben, etwas wieder und wieder zu erklären“ und als „jemand, der allen in der Klasse hilft.“


Integrationsunterricht, das ist für die 14-jährige Valmira, „wenn Schülerinnen und Schüler mehr Hilfe als andere brauchen.“ Valmira besucht derzeit eine Klasse mit 31 Jugendlichen. Manche sind auf der Suche nach einer Lehrstelle „und warten halt ab“, andere möchten die Fachschule abschließen, „irgendwann vielleicht sogar die Berufsmatura machen.“ Acht von ihnen benötigen vor allem in den theoretischen Fächern, „in denen man eben eine Schwäche hat“, Unterstützung. Der Unterricht in der Praxis, der laufe viel reibungsloser, „diese Fächer sind nicht so anstrengend“. Etwas tun dürfen, mit den Händen arbeiten, „das setzt Stärken frei.“


Sara hatte „seit immer schon“ große Schwierigkeiten in Mathematik und jetzt, in der vierten Klasse, wurde ihre Dyskalkulie endlich durch den Schulpsychologen bestätigt. Auf der einen Seite ist Erleichterung spürbar, auf der anderen Seite die Angst, abgestempelt zu werden. „Wenigstens bin ich in den Sprachfächern gut.“ Eine Integrationslehrperson „wäre schon fein“, ein bisschen fürchtet sie aber den Spott der Klasse. „Aber vielleicht geht es auch so, nachdem die Lehrpersonen von meiner Schwäche wissen.“


„Keiner will anders sein“, meint Simon, „und man will schon gar nicht offiziell Schwächen haben.“ Na ja, das mit den Integrationsschülern, das „sei irgendwie normal und doch ein bisschen peinlich“. Obwohl, gehänselt würden letztendlich nur diejenigen, „die es wirklich nicht checken.“


Miriam hingegen wäre sehr froh, wenn sie „eine Integrationslehrperson haben könnte, vor allem wegen der Schwächen in Mathematik und Italienisch“. Miriam hat jedoch kein Anrecht auf die Unterstützung durch eine Integrationslehrperson „und die in unserer Klasse hat schon so viel zu tun.“


Mit den „kleinen Schwächen“ sei das so eine Sache. Für die schäme man sich manchmal und die würden unter den Gleich-altrigen auch nicht immer akzeptiert, „vor allem, wenn es um die Noten geht.“

Mitleid hilft nicht weiter
Die Frage, welchen Stellenwert Menschen mit einer körperlichen oder geistigen Beeinträchtigung in unserer Gesellschaft haben, sei hingegen nicht so einfach zu beantworten. Menschen mit einem Handicap, die seien manchmal viel netter als andere. Und sie hätten zwar andere Bedürfnisse, aber manchmal mehr im Kopf. Mit körperlichen Behinderungen umzugehen, das sei für die Gesellschaft leichter, sagt der 17-jährige Hannes. Bei Menschen mit geistigen Beeinträchtigungen, da überwiege oft viel zu sehr das Mitleid, und das sei nicht immer fair.
Max durfte bei einem Projekt seines Tennisvereins miterleben, „wie viel Freude Menschen mit einer Beeinträchtigung am Leben haben.“ Und sie hätten „mindestens
ebenso viel Potenzial wie normale Menschen“.


(K)ein Thema


Im Schneidersitz und mit einer riesigen Schüssel Popcorn auf dem Schoß saß sie mitten im Trubel und ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Es war der erste Kindergeburtstag, zu dem Sandra eingeladen war.

Sie hätte sich nicht getraut, sagte eine der anderen Mütter später. Für meine Tochter war es selbstverständlich gewesen, Sandra einzuladen. Sandra gehörte schließlich dazu. Das Down-Syndrom war so gut wie kein Thema. Im Kindergarten nicht und auch nicht in der Grundschule. In der Mittelschule merkten die Mitschülerinnen und Mitschüler dann wirklich, dass Sandra nie so sein würde wie sie. Und trotzdem oder vielleicht gerade deswegen blieb sie eine von ihnen.


dis

kus

sion