Schülers Gedanken - eine ApologieHeute will ich mir mal den Ärger von der Seele schreiben. Einen Ärger, den ich schon Monate lange mit mir herumtrage. Da gab es eine Arbeitsgruppe letztes Jahr, eine AG zur Umsetzung eines (ja, Sie ahnen es!) kompetenzorientierten Unterrichts; und in dieser AG lag der Diskussionsschwerpunkt einmal auf Möglichkeiten einer entsprechenden kompetenzorientierten Überprüfung. Sie ahnen auch, wie dieses AG-Treffen verlaufen sein könnte, denn ich nehme an, dass es an Ihrer Schule genauso viele begeisterte Befürworter/innen, genauso viele reflektierende Kritiker/innen und genauso viele polemische Sturköpfe gibt wie an der meinen. Nun gut, AG also. Unter den polemischen Sturköpfen war eine Lehrkraft, die Philosophie unterrichtet (geht doch irgendwie nicht so ganz zusammen, oder? Philosophie und Polemik…). Verzeihen Sie, ich schweife irgendwie immer aus, das hat mit meinem Ärger zu tun … Also, Philosophie-Lehrkraft, polemisch, impulsiv, schein-intellektuell. Meinte: Das mit diesen Kompetenzen sei doch alles ein Quatsch, es interessiere sie nicht die Bohne, was die Schüler/innen bei Philosophie-Olympiaden z. B. so in scheinphilosophi-schen Essays von sich geben; die sollten doch gescheiter mal verstehen, was Kant und Konsorten dachten. Mir kam echt die Galle hoch! Eine solch arrogante Meldung über Schüler/innen habe ich selten gehört. Nun finde ich es zwar auch absolut wichtig, dass man sich auf die Gedanken der Großen einlässt und versucht, diese nachzuvollziehen; aber ich bin überzeugt, dass eine solche abschätzende Haltung den Gedanken der Lernenden gegenüber absolut arrogant, destruktiv und menschenverachtend ist! Und dann will so jemand sich vielleicht auch noch mit dem Anspruch schmücken, Schüler/innen zu kritischen Menschen zu bilden? Jugendliche haben Gedanken, interessante Reflexionen, existenzielle Fragen. Sie können mich überraschen, fordern, mich in Frage stellen, und ich habe manch bereicherndes Gespräch erfahren, im Dialog, in einer unbefangenen Diskussion, sogar in einer Prüfungssituation. (Dabei unterrichte ich nicht einmal Philosophie! Wie interessant könnte es erst da werden…).
Wenn wir Schülers Gedanken herunterspielen, missbilligen, glauben gescheiter zu sein, und wenn wir meinen, uns in dieser Geringschätzung Schülerinnen und Schülern gegenüber als intellektuelle Wesen profilieren zu müssen, dann sind wir als Lehrer/innen fehl am Platz! Eindeutig.
Ich will interessiert sein an dem, was meine Schüler/innen denken, daran, wie sie die Welt sehen. Ich will verstehen, wen ich vor mir habe, und ich will gemeinsam mit ihnen Gedanken, Ideen, konkrete Projekte, vielleicht auch Utopien entwickeln, um den Inhalten, mit denen wir uns im Fachunterricht beschäftigen, einen Ankerpunkt in Schülers Leben geben zu können, eine Bedeutung zu schenken, die sich ja immer erst realisiert, wenn der Einzelne die Sinnhaftigkeit für das eigene Sein sucht und entdeckt. Und wenn mir da solche Kollegen einen Strich durch die Rechnung machen, weil sie den Lernenden mit ihrer gleichgültigen Arroganz (oder arroganten Gleichgültigkeit, ich weiß nicht, was besser passt) die Freude am Denken vergraulen, dann ärgere ich mich gewaltig. Zum Glück gibt es nicht wirklich viele solcher Exemplare…
Verzeihen Sie diesen kämpferischen und vielleicht etwas überheblichen Ausbruch, geschätzte Leser/innen! Aber es musste sein!
Fanni A. Storch |
zaun gast
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