Nachhaltiges Misstrauen

 

Wenn ich an meine Schullaufbahn denke und nach dem suche, was mir am nachhaltigsten erscheint, was nach wie vor in meinem Leben eine erhebliche Rolle spielt und mich, mein Tun, mein Sein, meinen Alltag prägt, so fallen mir stante pede unter anderem zwei Lehrpersonen aus meiner Mittelschulzeit ein. Die eine spielte ganz prinzipiell eine wichtige Rolle für mich, die andere vor allem mit dem Thema „kritisch konsumieren“, es schlug sich in vielen meiner Lebensentscheidungen nieder.

 

Vielleicht ist es ein Zufall, dass mir beim Begriff „Nachhaltigkeit“ nicht nur Bildungsprägung, sondern eben auch ein Thema in den Sinn kommt, das mit einer anderen Bedeutung von Nachhaltigkeit zu tun hat. Mit einer öko-logischen, -nomischen, -sozialen Dimension, die dem Begriff innewohnt. Allerdings ist es mir auch aus einem zweifelhaften Grund irgendwie unangenehm und peinlich, mich in dieser Hinsicht zu outen. Zwar bestreitet niemand die Notwendigkeit nachhaltiger Bildung in dieser Hinsicht, den Zwang eines Wandels des Lebensstils, darüber zu reden aber kann einen leicht in eine Position bringen, in der man dann von anderen als besserwisserischer Gutmensch belächelt oder beschimpft wird, denn …

 

Gutmenschen trennen Müll, um sich wichtig zu machen; sie verzichten aufs Auto, weil sie keinen Führerschein haben; sie bestehen auf fairtrade, weil sie nicht wissen, wie die globale Wirtschaft funktioniert; sie spenden, um ihr Gewissen zu beruhigen; sie sind Miesmacher, haben keine Lebensfreude, essen nichts als eine karge Schüssel Salat; es sind weltfremde Asketen; sie drohen mit Umweltkatastrophen, die ja nun wirklich nicht eintreten werden – das wird schon irgendwie gehen und überhaupt, was soll denn der Einzelne daran schon ändern können.

 

Ja freilich: Es gibt die Lauten, die sich wichtig machen, es gibt die Aktiven, die sich sichtbar machen, aber es gibt auch solche, die ohne es zu kommentieren, ganz einfach nachhaltig zu leben versuchen. Aber auch sie kommen um manchen misstrauischen Kommentar nicht herum. Warum bloß?

 

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass rein schon ihre Existenz Anlass zum schlechten Gewissen für andere ist. Beispiel: Eine Freundin ist Vegetarierin; nun, es reicht ihre Anwesenheit bei Tisch (ohne Outing, ohne missionarische Anwandlungen) – früher oder später wird das Thema diskutiert und plötzlich fühlen sich alle zu einer Rechtfertigung ihres Fleischkonsums verpflichtet, die nun wirklich niemand gefordert hat; und noch erstaunlicher: innerhalb von ein paar Minuten behaupten die meisten, dass sie eh nur wenig und selten Fleisch essen.

 

Gutmenschen sind wie Prediger, man vermutet Lippenbekenntnisse. Aber das ist ungerecht. Vielleicht ist die neue Generation, die wir nachhaltig heranbilden, nicht mehr so misstrauisch Gutmenschen gegenüber.

 

Fanni A. Storch

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