Nachhaltige Entwicklung als Ziel

  

Insbesondere der Klimawandel und die Wirtschafts- und Finanzkrise haben dazu geführt, dass die Menschen die bestehenden Werte- und Wirtschatssysteme hinterfragen. Nachhaltigkeit spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle, weil ein langfristiges und gerechtes Wachstum nur möglich ist, wenn neben wirtschaftlichen Zielen auch ökologische und soziale Aspekte in der Gesellschaft ausreichend berücksichtigt werden.

von Jan Kerer

 

Im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit (sie umfasst im Wesentlichen das, was früher als Entwicklungshilfe bezeichnet wurde) ist Nachhaltigkeit spätestens durch die Arbeit der von den Vereinten Nationen 1983 eingesetzten Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (Brundtland-Kommission) von zentraler Bedeutung. Seit dieser Zeit orientiert sich die Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern am sogenannten Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit: Projekte werden nur dann durchgeführt, wenn sie ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltig sind. Dieser Denkwandel ist direkt auf die teilweise negativen Erfahrungen in der Entwicklungszusammenarbeit der 60er und 70er Jahre zurückzuführen: in diesen Jahrzehnten wurden beispielsweise viele Brunnen in Afrika finanziert und gebaut, ohne dass sichergestellt war, dass die Nutzer die finanziellen Ressourcen zur Verfügung hatten, diese Anlagen auch langfristig zu betreiben. Dies hat dazu geführt, dass Brunnenanlagen nach wenigen Jahren brachlagen, da die Bevölkerung nicht die finanziellen Mittel hatte, benötigte Ersatzteile zu kaufen und die Anlage instandzuhalten. Auch gab es Initiativen, die langfristig Raubbau an der Natur bedeuteten: bei manchen Projekten zur Intensivierung der Landwirtschaft erfolgte eine Absenkung des Grundwasserspiegels, was  langfristig zu einer Verödung von Landstrichen führte.

Auch das Entstehen von sozialen Konflikten führt dazu, dass Projekte nicht nachhaltig sein können: das Einrichten von Naturschutzgebieten entzog in einigen Fällen der umliegenden Bevölkerung ihre Einkommensgrundlage. Falls diesen Menschen nicht die Möglichkeit gegeben wurde, neue Einkommensquellen zu erschließen, kam es daher häufiger zu sozialen Konflikten, die nicht selten mit dem Scheitern des gesamten Projektes endeten.

Kriterien der Erfolgsmessung

Die oben beschriebenen Erfahrungen haben dazu geführt, dass in der Entwicklungszusammenarbeit Nachhaltigkeit als eines der wichtigsten Ziele für jedes Projekt definiert wurde. Während meiner langjährigen Tätigkeit in der Entwicklungszusammenarbeit musste ich daher bereits bei der Entwicklung von neuen Projektideen darauf achten, dass

  • die natürlichen Lebensgrundlagen nur in dem Maße beansprucht werden, wie diese sich regenerieren;
  • die nötigen Ressourcen zur Verfügung stehen, um eine Initiative dauerhauft und nicht auf Kosten zukünftiger Generationen betreiben zu können;  
  • keine sozialen Gruppen durch ein Projekt negativ beeinflusst werden.

Während der Projektdurchführung und bei der Erfolgsmessung nach Projektende muss dann jeweils überprüft werden, ob alle Nachhaltigkeitskriterien erfüllt wurden. Gerade der Erfolgsmessung von Projekten kommt eine wichtige Bedeutung zu. Während es in Projekten der „alten Schule“ üblich war, Erfolg an der Durchführung einer Investition zu messen, wird nun vor allem darauf geachtet, wie die geleisteten Investitionen genutzt werden. So wird bei beruflicher Bildung nicht nur erfasst, wie viele Berufs-schulen gebaut wurden, sondern auch, wie viele Menschen schlussendlich eine Arbeitstelle im gelernten Beruf gefunden haben.

 

Nachhaltigkeit als Ziel

Die Nachhaltigkeit von Projekten zu gewährleisten, gestaltet sich in der Realität natürlich nicht immer einfach. Das Projektumfeld in Entwicklungsländern ist äußerst komplex und es ist oftmals schwierig, alle Auswirkungen des Vorhabens, z. B. auf unterschied-liche soziale Gruppen, im Detail abzuschätzen. Es kann innerhalb von Projekten auch zu Zielkonflikten kommen: Beispielsweise kann es aus Einkommensgesichtspunkten sinnvoll sein, dass Landwirte die Anbaumethoden auf Monokulturen umstellen. Dies reduziert jedoch die Biodiversität und kann längerfristig negative Auswirkungen auf die natürlichen Lebensgrundlagen der Menschen haben. All dies führt dazu, dass Nachhaltigkeit (in all ihren Dimensionen) zwar immer das oberste Ziel bleibt, es in der Praxis jedoch oft kaum oder gar nicht möglich ist, alle Aspekte der Nachhaltigkeit zu berücksichtigen.

Von Entwicklungszusammenarbeit lernen

Was kann man nun aus den Erfahrungen der Entwicklungszusammenarbeit für die Entwicklung eines nachhaltigen Handelns in unserer Gesellschaft lernen? Wie oben beschrieben, ist Nachhaltigkeit ein wichtiges Ziel, erfordert allerdings ein hohes Maß an vernetztem Denken und die Fähigkeit zum Verständnis von komplexen Prozessen. Die Vermittlung dieser Fähigkeiten muss bereits in der Schulzeit erfolgen. Insbesondere müssen junge Leute dahingehend geschult werden, die Folgen von Aktivitäten auf die unterschiedlichen Sphären (sozial, wirtschaftlich und ökologisch) abschätzen zu können. In meiner Arbeit habe ich leider oft Projekte erlebt, die zwar hehre Ziele hatten, die aber (ungewollt!) zu sozialen Konflikten innerhalb der Bevölkerung geführt haben.

Junge, engagierte Menschen

Im Allgemeinen ist der Wunsch nach gesellschaftlichem Wandel bei jungen Menschen stark ausgebildet. Ich kenne viele Jugendliche, die Geld oder Güter, z. B. Kleider, spenden oder die ihre Freizeit dafür aufbringen, in sozialen Initiativen mitzuarbeiten. Ich halte es für wichtig, den Schülerinnen und Schülern den Nachhaltigkeitsgedanken nahe zu bringen, damit sie sich in Initiativen engagieren, die langfristig etwas bewirken und die Gesellschaft positiv verändern. Dazu müssen junge Menschen in die Lage versetzt werden, die Auswirkungen von Projekten in einem komplexen sozialen Umfeld abzuschätzen. Jugendliche sollten dazu animiert werden, auch bei wohlgemeinten Initiativen kritische Fragen zu stellen, damit sie ihre Ressourcen für wahrhaft nachhaltige Initiativen einsetzen können.

 

   
   

Jan Kerer arbeitet seit über

10 Jahren in der Entwicklungs-

zusammenarbeit. Die meiste

Zeit davon hat er in Asien und

Afrika verbracht, vor allem in

Indonesien, Nepal und China.

 

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