Rechts- und Wirtschaftsunterricht in Zeiten der Krise

 

Es gibt wohl kaum eine brisantere Zeit für ein Themenheft rund um den Wirtschafts- und Rechtskundeunterricht als die unsere. Schon seit 2008 schwelt die Wirtschafts- und Finanzkrise mehr oder weniger dauerhaft, kein Rezept scheint zu wirken. Zunehmend gerät auch die Politik und damit unser ganzes demokratisches System unter Druck – Stichwort Politikmüdigkeit. Schon ist die Rede von einer Krise der modernen Demokratie. Dass zwischen den beiden Krisenphänomenen ein Zusammenhang besteht, ist wohl unbestritten. Mitten drinnen leben wir alle, staunend und manchmal verständnislos. Wer könnte schon die komplexen Vorgänge alle erfassen? Gar mancher fühlt sich als Opfer einer seelenlosen Wirtschaft und unmenschlichen Politik.

In dieser Situation erscheint es logisch und notwendig, sich mit Fragen der Wirtschaft, Finanz, Politik und Recht auseinanderzusetzen. Nur wer einigermaßen den Durchblick hat, gerät nicht so leicht ins Hintertreffen. Es wäre geradezu verantwortungslos, jungen Menschen keine fundierte Ausbildung in diesen Bereichen zu ermöglichen. Da wirkt es fast wie ein Hohn, dass gerade jetzt der Wirtschafts- und Rechtskundeunterricht gekürzt, an manchen Schulen sogar gänzlich abgeschafft wurde! Die Versuche, mit Einzelaktionen (z. B. den „Aktionstagen der politi-schen Bildung“) kompensierend einzugreifen, wirken ähnlich hilflos wie der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Für derart vielschichtige und volatile Themen braucht man viel Zeit und eine kontinuierliche Auseinander-setzung.

Dementsprechend flexibel und modern müssen auch die Lehrkräfte in diesem Bereich sein. Schülerinnen und Schüler bringen – wider alle gegenteiligen Behauptungen – ein übergroßes Interesse für Fragen zu Wirtschaft, Politik und Recht mit. Im jugendlichen Alter erwacht die Wissbegierde, denn sie fühlen sich direkt davon betroffen und entwickeln ein erstaunliches Engagement – wenn man sie ernst nimmt! Ein berührendes Beispiel ist das Jugendparlament der Alpenkonvention (Berichte S. 11 – 13). Der Unterricht muss aber jugendgerecht, flexibel und modern sein. Wer mit Schülerinnen und Schülern im Frontalunterricht Rechtsnormen aus dem Zivilgesetzbuch durchpaukt, Zinseszinsrechnungen durchexerziert, würgt offenen Auges das natürliche Interesse ab. Nicht umsonst gelten Fächer wie Rechtskunde oder Betriebswirtschaftslehre als knochentrockene Lernfächer – völlig zu Unrecht! Denn wir leben tagtäglich die Praxis des Rechts und der Wirtschaft. Das versuchen auch die Rahmenrichtlinien zu berücksichtigen.

Ein letztes noch: Ich gestehe, dass ich mich in den letzten Monaten oft gefragt habe, mit welchen Fragen der Wirtschaft sich die Schüler/innen im Unterricht wohl auseinandersetzen werden. Ich sehe das liberal-kapitalistische Wirtschaftssystem in einer tiefen Krise. Manchmal habe ich aber das Gefühl, dass Kinder und Jugendliche das vorherrschende System gleichsam mit der Muttermilch aufnehmen, reproduzieren und ein unkritisches Glied der großen Maschine werden. Martin Daniel, ein Lehrer für Recht und Wirtschaft am Oberschulzentrum in Mals, greift in seinem lesenswerten Grundsatzartikel (S. 8-10) ähnliche Fragen auf.  

 
 

Johannes Kofler, Chefredakteur

 

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