Erinnerung an Daniele AgnoliIn einer Messe in der Stadtpfarrkirche St. Michael in Brixen haben am 2. März 2013 Angehörige, Freunde und Bekannte Abschied von Daniele Agnoli genommen, der in einer schwierigen Zeit des Übergangs von der staatlichen zur Landesverwaltung an die 35 Jahre lang in leitender Funktion – zuerst in der deutschen Sektion des staatlichen Schulamtes und dann als Leiter des italienischen Hauptschulamtes – in der Bozner Schulverwaltung tätig war. Zum Beginn des neuen Schuljahres erscheint eine Würdigung seiner Persönlichkeit in einer Lehrerzeitung angebracht.
von Rainer Seberich Daniele Agnoli wurde am 26. Mai 1927 in Belluno geboren. Seine Familie stammte aus dem Cadore, und das erklärt auch seine Liebe zu den Bergen. Nach dem Besuch des Klassischen Gymnasiums von Belluno studierte er Philosophie an den Universitäten von Padua und Florenz und schloss 1952 sein Studium mit einer Dissertation über Ästhetik („Il sentimento nella espressione artistica“) bei Prof. Gaetano Chiavacci in Florenz ab. Nach seiner Promotion vervollständigte er seine Sprachkenntnisse und besuchte u. a. Deutschkurse an der Universität Tübingen. 1954 erhielt er ein Stipendium der französischen Regierung für den Besuch eines Kurses für europäische Studien an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken, wobei er sich vornehmlich mit Problemen der Grenzgebiete und der Minderheiten beschäftigte. Von 1955 bis 1958 unterrichtete er als Lektor für Italienisch an der Universität Heidelberg und an der Dolmetscherschule in Germersheim. In Tübingen lernte er seine Frau Helga, geb. Burckhardt, kennen.
Pionierarbeit
Agnolis Interesse an Grenz- und Minderheitenfragen veranlassten ihn, zusammen mit dem Schreiber dieser Zeilen an dem 1957 für das Schulamt Bozen ausgeschriebenen Sonderwettbewerb für leitende Beamte der Schulverwaltung teilzunehmen, der zweisprachigen Bewerbern vorbehalten war. Von 1958 bis 1972 leitete er am damals noch staatlichen Schulamt (Provveditorato agli Studi) die Abteilung deutschsprachige Volksschulen und wurde wegen seines Fleißes, seines Verständnisses für die besonderen Probleme Südtirols und seiner absoluten Korrektheit von seinen Vorgesetzten (Provveditore Prof. Roberto Biscardo und Vizeschulamsleiter Dr. Fritz Ebner) und seinen Mitarbeitern (vor allem Frau Martha Gisser-Bernard) sehr geschätzt. Auch die Lehrerschaft fand in ihm einen stets hilfsbereiten Ansprechpartner. Namentlich setzte er sich für die Durchführung der Stellenwettbewerbe für die deutschsprachigen Volksschulen und des Sonderwettbewerbs für Hilfslehrer und für die Wiederherstellung der Laufbahnen der Südtiroler Volksschullehrer ein.
Interesse an Land und Leuten
Aber auch das Land und seine Bewohner interessierten Daniele Agnoli. Ich erinnere mich, wie sehr ihn die Präsentation eines Filmes über die unglaublichen Schulwege der Südtiroler Kinder („Ogni giorno all’alba“) beeindruckte. Um sich ein Bild von den Lebensbedingungen am Berg zu machen, besuchte er als begeisterter Wanderer systematisch die entlegensten Täler. In einem Lebenslauf aus dem Jahr 1969, den mir seine Witwe freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat, bekennt er seine Bindung an Südtirol, das ihm zweite Heimat geworden sei.
Aufstieg zum Hauptschulamtsleiter
Die gesetzlichen Vorgaben des zweiten Autonomiestatuts bedingten Agnolis Wechsel in die italienische Abteilung des Schulamtes, deren Leitung er nach der Pensionierung von Prof. Alfio Cozzi übernahm. Mit der Errichtung der drei Schulämter wurde Dr. Daniele Agnoli als erster „Hauptschulamtsleiter“ (Sovrintendente scolastico) vom Unterrichtsministerium mit Zustimmung der Südtiroler Landesregierung mit der Leitung der italienischsprachigen Schulen und der Aufsicht über die deutschsprachigen Schulen und die Schulen der ladinischen Täler betraut. In einer gewichtigen Rede bei der Einsetzungsfeier am 15. September 1975 unterstrich Agnoli, dass eine autonome Verwaltung der Schule auch für die italienische Sprachgruppe eine Notwendigkeit sei, um ihr „das Hineinwachsen in den Lebensraum zu ermöglichen, der sie aufgenommen hat, und […] um die am meisten verbreitete Sprache des Landes zu verstehen und vorzustoßen bis zur Seele der Bevölkerung, die seit zahllosen Generationen hier wohnt.“
Bewegte Zeiten
In seine Amtszeit fielen Diskussionen über den Ausbau des Deutschunterrichts an italienischsprachigen Schulen und scharfe Auseinandersetzungen mit der Studentenbewegung, mit Politikern und Gewerkschaftern, die eine ruhige und geordnete Verwaltungstätigkeit erschwerten. Von Auseinandersetzungen mit der Verwaltung der deutschsprachigen Schulen, deren Beaufsichtigung der Sovrintendente sehr unauffällig wahrnahm, ist mir nichts bekannt. Daniele Agnoli war sehr zurückhaltend in seinen gesellschaftlichen Kontakten, wer aber sein Vertrauen gewonnen hatte, entdeckte seine vielseitige Bildung und seine Menschlichkeit.
Vielfältige Interessen
Nach dem Eintritt ins Pensionsalter setzte Daniele Agnoli die Erkundung des Landes auf zahlreichen Wanderungen fort und pflegte seine Lektüren und philosophischen Interessen. Er schrieb u. a. auch eine Geschichte des Naturismus in Italien und war erster Präsident der italienischen Naturistenvereinigung. Die letzten Monate seines Lebens waren von Krankheit gezeichnet. Sein reiches Leben endete am 26. März 2013. Der Witwe und den Söhnen, von denen Francesco als Naturkundelehrer in einer deutschsprachigen Mittelschule wirkt, gilt unser Mitgefühl. Rainer Seberich, ehemaliger Schuldirektor und Fachmann für Südtiroler Schulgeschichte |
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