Dauerbrenner oder Eintagsfliegen?

 

Unser Titel ist provokant: Eintagsfliegen. Die kommen in Massen, sind lästig, sterben nach wenigen Tagen – und es bleibt nichts von ihnen. Gilt das auch für die vielen Schulreformen der letzten Jahre und Jahrzehnte? Die Analogie spricht sicher vielen Lehrerinnen und Lehrern aus dem Herzen. Zu oft wurden wir mit neuen Konzepten konfrontiert, die durch Gegenkonzepte neutralisiert wurden. Das Reformtempo war atemberaubend, aber selten wurde uns die Zeit gegeben, eine Veränderung mitzugestalten, zu verdauen, auszuprobieren. Frust scheint ein weit verbreitetes Gefühl unter Lehrerinnen und Lehrern zu sein.

Ich unterrichte heute an derselben Schule, an der ich vor 23 Jahren maturiert habe. Wenn ich meine Erfahrungen mit der Schule von heute vergleiche, dann wird eines klar: Der Unterschied ist wie Tag und Nacht. Meine Schule von einst ist nicht mehr wiederzuerkennen. Damit kein Missverständnis aufkommt: Den Tag in diesem Vergleich sehe ich nicht in der Vergangenheit. Wir sind heute so unvergleichlich viel moderner, offener, flexibler!

Wenn die Wochenzeitschrift ff kürzlich Südtirols Schulsystem als verkrustet bezeichnete, kann ich nur den Kopf schütteln. Davon kann keine Rede sein! Ich erlebe die Schule als äußerst dynamisches System, das tausend Möglichkeiten bietet. Wer will, der findet eine fast grenzenlose, bunte Spielwiese vor. Das gilt für Schüler/innen, Lehrpersonen und Eltern. Es stellt sich die Frage: Wer ist verantwortlich für diese positive Entwicklung? Welchen Anteil daran haben die Schulreformen?

Es ist unbestreitbar, dass einige neue Konzepte in der Vergangenheit tiefe Spuren hinterlassen haben, etwa die Einführung der Mittelschule oder der Teamunterricht in der Grundschule. Auch die Abschaffung der Sonder-schulen war ein Erfolgsmodell.  So gesehen gibt es unter den Reformen auch Dauerbrenner.

So ist es auch gar nicht gemeint: Lehrer/innen sind nicht gegen Reformen, sie sind nur gegen Eintagsfliegen. Viele Studien haben gezeigt: Der Erfolg hängt weniger vom System ab. Vielmehr geht es um die Menschen und den Umgang mit ihnen. Warum also soviel Zeit und Mühe in die Reform der Organisation, Konzepte, Systeme usw. investieren? Wir brauchen Zeit und Liebe, Respekt und Anerkennung, dann reformiert sich die Schule ganz von alleine! Denn dass sie das kann, zeigen die letzten 20 Jahre!

 
 

Johannes Kofler, Redakteur

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