Sprache - Sprechen - Kommunizieren

Im Folgenden wird eine fächerübergreifende Unterrichtseinheit vorgestellt, wie sie in einer 2. Klasse des klassischen Zweigs des Gymnasiums „Walther von der Vogelweide“ in Naturkunde und Deutsch erprobt wurde. Die einzelnen Bausteine sind in sich geschlossen und können auch isoliert voneinander bzw. einzeln verwendet werden.

von Brigitte Lintner

 

Im Naturkundeunterricht lernen die Schüler/innen Aufbau und Funktionsweise des Kehlkopfes, der gewissermaßen das Werkzeug des Sprechens ist, kennen. Außerdem beschäftigen sich die Jugendlichen mit den Grundlagen der Schall-physik, um zu verstehen, wie die produzierten Geräusche, Wörter und Sätze überhaupt zum Empfänger kommen. Als Grundvoraussetzung für das rein mechanische Produzieren von Wörtern werden Atmung, Tonerzeugung und Artikulation besprochen.

Es ist angebracht, den gesamten physikalisch-biologischen Teil in Form eines klassischen Unterrichtsgesprächs zu behandeln, da es großteils um Fachwissen geht, das der Lehrer den Schüler/innen erstmals vermitteln muss.

 

Auf den Spuren der Evolution der Sprache

Für die Betrachtung der Sprachentwicklung aus evolutiver Sicht hat sich die Unterrichtseinheit “Sprache und Evolution” aus der CD-ROM Unterricht biologie „Gehirn & Nervensystem“ vom Friedrich Verlag bewährt.

Die Schüler/innen erarbeiten in Kleingruppen den Zusammenhang zwischen “Hirnvolumen und Sprachfähigkeit”, “Hirnstruktur und Sprachfähigkeit” und “Kehlkopfstruktur und Sprachfähigkeit”. Die CD-ROM enthält gut strukturierte und kompetenzorientierte Arbeitsblätter; auf einen Informationstext folgen stets Aufgaben, wie das Interpretieren von Kurven, das Erstellen von Tabellen und das Beschriften von Abbildungen. Zusammenfassend soll die Gruppe eine ganz konkrete Aufgabe schriftlich lösen, z. B. eine Hypothese zur Entwicklung der Sprachfähigkeit des Menschen formulieren.

Zum Abschluss der Gruppenarbeiten hat sich eine Diskussionsrunde bewährt. Mit Hilfe der schriftlichen Thesen kann sich die Lehrkraft gut auf die Rolle des Moderators vorbereiten und die Diskussionsrunde spannend gestalten. Da im Laufe der Diskussion unter Umständen auch von einzelnen Gruppen aufgestellte Thesen widerlegt, ergänzt oder abgeändert werden, empfiehlt es sich, den Schülerinnen und Schülern ein schriftliches Resümee zu geben. Dazu eignen sich die in der Unterrichtseinheit mitgelieferten Lösungsvorschläge.

 

Wie Kinder sprechen lernen

In drei Arbeitsblättern, die ähnlich struktureirt sind wie die zum Thema “Auf den Spuren der Evolution der Sprache” beschäftigen sich die Schüler/innen mit dem sogenannten Muttersprachen-Magneteffekt, der die Art und Weise erläutert, wie Säuglinge bereits Sprache erkennen, mit welchen Methoden man taube Kinder zum Sprechen und zum Sprachverständnis hinführen kann und die Frage klärt, ob unser Gehirn zum zeitgleichen Erlernen von zwei Sprachen gemacht ist.

 

The King’s speech

In einem weiteren Schritt können Sprachfehler und Versprecher analysiert werden. Die Schüler/innen müssen Sprachfehler den verschiedenen Sprachfehlertypen (z. B. Lautverschiebung, Antizipation) zuordnen. Das wohl bekannteste Sprachproblem ist das Stottern, das häufig eine psychomotorische Ursache hat. Wie Sprachblockaden gelöst werden können, zeigt eindrucksvoll der Kinofilm “The king’s speech” (2010).

 

Besuch einer Expertin

Der Besuch eines Logopäden/einer Logopädin ermöglicht den Lernenden Einblick in die tägliche Arbeit. So verdeutlich-te die selbstständige Logopädin Veronika Brugger, dass Sprache und Sprechen nicht als eine in sich geschlossene Fertigkeit betrachtet werden kann, sondern dass es sich um ein Mosaik aus ineinandergreifenden Bausteinen handelt und dass Schwierigkeiten beim Sprechen häufig auf falsches Atmen (z. T. bereits im Kleinkindalter) zurückzuführen sind. Die Schüler/innen hatten die Gelegenheit, konkrete Fragen zu stellen und das Berufsbild der Logopädin genauer kennen zu lernen.

 

Wie Tiere kommunizieren

Kommunikation im Tierreich würde als Unterrichtsthema Wochen, ja Monate oder Jahre füllen. Und es gibt eine Menge an Literatur, die sich leicht liest und einen spannenden Einblick in die Forschungsergebnisse liefert. Die Kapitel „Kommunikation“ und „Sprechen Sie Yerkish“ aus dem von Karsten Brensing im Verlag Herder GmbH erschienenen Buch „Persönlichkeitsrechte für Tiere – die nächste Stufe der Evolution“ eignet sich hervorragend als Klassenlektüre und Diskussiongrundlage. Das zweite erwähnte Kapitel lässt sie gut durch Videos des Bonobo Weibchens Kanzi ergänzen, das in diversen Sprach- und Kommunikationstests die Wissenschaftler überraschte.

 

Innere und äußere Mehrsprachigkeit

Durch Impulsfragen wie “Wie viele Sprachen spreche ich?” und “Welche Sprachen spreche ich mit wem und wie häufig?” werden die Jugendlichen im Rahmen des Deutschunterrichts zu einer Selbstreflexion zum Thema “Ich und Sprache” angeleitet. Als schriftliche Übung im Unterricht oder als Hausaufgabe kann eine persönliche Sprachbiografie erstellt werden. Nach dieser ersten Phase soll der Fokus nach außen hin geöffnet werden: in Diskussionsrunden und/oder Recherchen in Kleingruppen setzen sich die Schüler/innen mit den Fragen “Welche Sprachen gibt es überhaupt?”, “Welche Sprachen sind bereits ausgestorben?” und “Was sind tote und was sind lebende Sprachen?” auseinander. Besonders spannend ist für Schüler/innen die Beschäftigung mit sogenannten Kunstsprachen, wie sie aus diversen Fantasyfilmen und -serien bekannt sind. In diesem Zusammenhang kann auch über Jugendsprache und sms-Sprache diskutiert werden. Die Jugendlichen selbst sind dabei wohl die Experte/innen.

 

Geschichte der Sprache

In dieser Unterrichtseinheit erfolgt ein historischer Zugang zum Thema. In Form von Impulsreferaten, Arbeitsblättern und Hörbeispielen lernen die Jugendlichen die Entwicklung der Sprache vom Indogermanischen bis hin zum Neuhoch-deutschen kennen. Im Gespräch werden Unterschiede und Gemeinsamkeiten verschiedener Sprachen erarbeitet und der Ursprung verschiedener Sprachen analysiert. Anders- und/oder mehrsprachige Schüler/innen können in dieser Phase des Deutschunterrichts wertvolle Beiträge leisten.

 

Nonverbale Kommunikation

Dass Kommunikation nicht nur auf sprachlicher Ebene erfolgt, lernen die Schüler/innen in dieser Unterrichtseinheit. Der Bereich der nonverbalen Kommunikation macht die Verständigung zwischen Menschen erst komplett. In Form von Beobachtungsprotokollen halten die Jugendlichen Gestik und Mimik von miteinander sprechenden Menschen fest, um beispielsweise kulturelle Unterschiede herauszuarbeiten. Eine Internetrecherche zu den verschiedenen Begrüßungs-forneln in den diversen Kulturkreisen zeigt, wie unterschiedlich Gesten eingesetzt und verstanden werden. Um die meist unbewusste und selten bewusst gesteuerte nonverbale Kommunikation begreifbar zu machen, können Kommunika-tionsübungen durchgeführt werden.

 

 
 
Brigitte Lintner unterrichtet Naturwissenschaften am Gymnasium „Walther von der Vogelweide“ in Bozen.

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