Wissenswertes zum Umgang mit Kritik

 

Unsere Einstellung zu Kritik ist seltsam: Niemand will kritisiert werden, aber alle bestehen auf dem Recht auf eine eigene Meinung und ein eigenes Urteil. Deshalb werden wir uns der Fragestellung auch von beiden Seiten nähern: Wie gehe ich persönlich damit um, wenn ich kritisiert werde? Und: Wie kritisiere ich richtig?

von Sabine Oberreither

 

Für Pädagoginnen und Pädagogen gehört es zum Berufsalltag, Kritik zu üben. Sei es nun in Form von Lob (positives Feedback) oder Tadel (negatives Feedback, Kritik). In den meisten Fällen passiert das, ohne dass sich eine von beiden Seiten groß Gedanken darüber machen würde und ohne große Reflexion und Betroffenheit. Anders sieht es schon aus, wenn Kritik bei ernsteren Themen angebracht erscheint. Wie gehen Sie damit um, wie gehen Sie vor?

Führen Sie sich vor Augen: Kritik schmerzt! Und der erste natürliche Impuls ist Abwehr. Die Ursache liegt vermutlich darin, dass unser Selbstwertgefühl zu einem Großteil davon abhängt, wie die Umgebung auf uns als Personen und auf unser Handeln reagiert. Wir wehren uns gegen alles, was unser Selbstwertgefühl verletzt.

Kritik üben

Überlegen Sie, warum Sie Kritik anbringen möchten. Was ist Ihre Motivation? Welches Ziel verfolgen Sie damit? Wollen Sie jemandem eines auswischen – oder kann Ihre Kritik Verbesserung herbeiführen? Auch wenn Ihre Kritik völlig gerechtfertigt erscheint, ist sie nur sinnvoll, wenn dadurch etwas verbessert werden kann, Sie Fehler vermeiden oder Schaden abwenden können.

Verwenden Sie für sich und im allgemeinen Sprachgebrauch das Wort Feedback anstelle von Kritik. Kritik ist eher negativ behaftet, unter Feedback verstehen wir auch Lob.

Wählen Sie die richtige Gelegenheit: einen ruhigen, ungestörten Ort. Dass dabei nur die direkt betroffenen Personen (oder die betroffene Person) anwesend sind, sollte selbstverständlich sein. Stellen Sie sicher, dass beide Seiten ausreichend Zeit haben.

Auch der richtige Zeitpunkt ist entscheidend. Zeitgerecht – eine ruhige Phase, in der die Nerven nicht blank liegen. Rechtzeitig – bevor das Fass überläuft.

Überlegen Sie vorher (am besten schriftlich), was Sie sagen werden und – besonders wichtig – machen Sie sich klar, was Sie an der Person schätzen. So schaffen Sie ein Gesprächsklima der Wertschätzung.Eine einfache Technik ist die „Dragee-Methode“. Umhüllen Sie das negative Thema mit Positivem. Auf diese Art ist Kritik leichter zu schlucken. Das funktioniert allerdings nur, wenn Sie von dem Positiven wirklich überzeugt sind.

Für Fortgeschrittene empfiehlt sich die Kommunikation nach Rosenberg:

1. Schritt: Erklären Sie klar und deutlich, was Sie stört. Dadurch fühlt sich die/der Betroffene weniger angegriffen und ist offener für eine Lösung. Beschränken Sie sich in Ihrem Feedback auf Fakten und auf konkrete Situationen. So ist die Kritik nachvollziehbar. Was nehme ich wahr (beobachtbares Verhalten, Fakten)? „Du hast…“ „Ich sehe/höre…“

2. Schritt: Was fühle ich (Emotion, Empfindungen)? „Ich fühle mich …“ „Ich bin …“

3. Schritt: Was brauche ich (Bedürfnisse/Werte)? „Ich brauche …“ „Mir ist wichtig …“

4. Schritt: Lassen Sie Ihr Gegenüber – wenn möglich – selbst eine Lösung finden.Fassen Sie das Gespräch zusammen und treffen Sie eine verbindliche Vereinbarung. Was soll der/die Andere tun (konkretes Verhalten)? „Ich möchte, dass du …“ 

Kritisiert werden

Die andere Seite der Medaille ist es, selbst Kritik zu erfahren. Damit tun sich die meisten Menschen schwer.

Nochmals müssen wir uns klar machen: Kritik schmerzt! Uns selbst und auch den Anderen.

Hier gehen wir davon aus, dass es sich nicht um unzivilisierte Pöbeleien, absichtliche Kränkungen oder Mobbing handelt, sondern um Kritik in einem professionellen (Arbeits)Umfeld. Wenn Sie also kritisiert werden (oder negatives Feedback bekommen), machen Sie zuerst einmal nichts, sondern denken Sie nach. Spontane Abwehr der Kritik – egal ob sie nun berechtigt oder unberechtigt erscheint – führt sehr oft zu einer Verhärtung der Fronten.

Überlegen Sie: Welche Motive hat der Kritiker/die Kritikerin? Ist es der Wunsch nach Verbesserung der Situation? Ist die Person Ihr Vorgesetzter, ihre Vorgesetzte und trägt er/sie die Verantwortung? Oder steht sie Ihnen nahe und will Ihr Bestes?
Diese Überlegungen tun uns persönlich gut, weil wir dabei vom Gefühl des ersten Zorns wegkommen und das Ganze etwas gelassener betrachten können.Die kritisierende Person hat von ihrer Warte aus Recht! Es gibt also keine ungerechtfertigte Kritik – es ist eine Frage des Standpunktes und des Informationsstandes der Beteiligten.

Die Nachdenkpause ermöglicht Ihnen auch eine genauere Analyse, ob die Kritik berechtigt oder unberechtigt ist. Entkräften Sie ungerechtfertigte Kritik ruhig und sachlich.

Wenn die Kritik gerechtfertigt ist, fragen Sie sich, wie Sie mit eigenen Fehlern umgehen. Können Sie Fehler als Teil Ihres Lebens akzeptieren oder haben Sie den Wunsch, perfekt zu sein?

Kritik zeigt uns, wo es noch Verbesserungspotenzial gibt. Sehen Sie Kritik als Chance, noch besser zu werden, Ihren beruflichen und privaten Zielen näher zu kommen.

Und jetzt der elegante Abschluss: Bedanken Sie sich für die konstruktive Kritik, für das Feedback!
Wie geht es Ihnen damit? Welchen Einfluss hat das wohl auf die Beziehung zwischen Ihnen und dem Kritiker/der Kritikerin?

 

 

Sabine Oberreither arbeitet als Trainerin und Couch in Graz.

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