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Die verhinderte Autonomie - von Gottlieb Pomella

Heiliger St. Kassian, verschone uns!


Es tut dem Menschen nicht gut, wenn man ihn einsperrt. Es bekommt ihm nicht besser, wenn er sich freiwillig einsperrt. So bürgen auch Klausurtagungen des Landesausschusses nicht für die Qualität der Ergebnisse. Vom Heiligen Geist scheinen die Landesräte in St. Kassian auf jeden Fall nicht erfüllt gewesen zu sein. Ein sehr autonomiefeindlicher Ungeist hat bei der Klausurveranstaltung Regie und Feder geführt. Wenn der Landesgesetzentwurf zur Schulautonomie in der vom Landesausschuss beschlossenen Fassung vom Landtag genehmigt werden sollte, dann werden Südtirols Schulen in den nächsten Jahrzehnten weit weniger Autonomie haben als bisher.

Was am Gesetzentwurf gut ist, ist vom staatlichen Reformgesetz und von der entsprechenden Durchführungsbestimmung abgeschrieben bzw. übernommen worden. Weil man halt musste. Dazugegeben worden ist nichts, weggenommen Vieles und Wesentliches.

Ohne Geld koa Musi!

Am augenscheinlichsten ist es bei der Finanzautonomie. Zuerst wird aufgezählt, was die Schulen alles einnehmen können (Erbschaften, Stiftungen, Schenkungen, Spenden, Zuweisungen verschiedenster Art), und im letzten Absatz des Artikels behält sich "das Land" das Recht vor, "direkt die Ankäufe von Gütern und Dienstleistungen für den Lehr- und Verwaltungsbetrieb" vorzunehmen. Wenn die Schulen selbst nichts kaufen dürfen, werden sie auch kein Geld bekommen. "Ohne Geld koa Musi!"

Aus dieser Optik relativiert sich auch die Übertragung sämtlicher "Machtfülle" vom Vollzugsausschuss auf den Manager-Direktor. "Der Schuldirektor übernimmt die Verwaltungs- und Buchhaltungsbefugnisse des Vollzugsausschusses", heißt es im Artikel 13. Welche? Wo doch im letzten Absatz des vorhergehenden Artikels fettgedruckt steht, dass das Land sämtliche Ankäufe von Gütern und Dienstleistungen selbst vornimmt! Welche Verwaltungs- und Buchhaltungsbefugnisse soll der Direktor da noch wahrnehmen? St. Kassian lässt grüßen.

Obwohl laut Artikel 11 mit Wirkung 1.9. 2000 "den Schulen alle Befugnisse im Bereich des Dienst- und Besoldungsrechtes des Lehrpersonals übertragen sind", ausgenommen...(es folgen insgesamt sieben Ausnahmen!), lesen wir unter der Ausnahme Nummer fünf, dass die Auszahlung der Bezüge an die Lehrpersonen und Direktoren nicht durch die Schulen erfolgt. Die Moral von der Geschicht': Während im restlichen Italien die autonomen Schulen in Zukunft viele Befugnisse wahrnehmen und entsprechend hohe
Finanzmittel verwalten werden, werden in Südtirol jenen Schulen, die bisher schon Verwaltungs- und Finanzautonomie hatten (Fachoberschulen und Lehranstalten), Befugnisse und Mittel genommen, und jene Schulen (Grund-, Mittel- und allgemeinbildende Oberschulen), welche sich auf die vielbesungene Autonomie gefreut haben, werden blöd dreinschauen. Nur ein Beispiel: Die Handelsoberschule Bozen hat in ihren besten "vorautonomen" Zeiten einen Haushalt von über sechs Milliarden Lire verwaltet. Seit die Gehälter, auch die staatlichen, vom Gehaltsamt des Landes ausbezahlt werden, ist es noch eine gute halbe Milliarde. Wenn dann am 1. September 2000 die Autonomie auf uns hereinbricht, dann dürften wir mit einigen Dutzend Millionen genug und einen Buchhalter zu viel haben. Wer reißt sich schon um die Verwaltung der Gehälter? mag jemand einwenden. Darum geht es nicht. Gemäß staatlicher Regelung können die autonomen Schulen manche ihrer Aufgaben freiwillig (!) abgeben und gemeinsam mit anderen Schulen im Schulverbund wahrnehmen.


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Vertrauen ist gut. Misstrauen ist besser.

Um nichts besser steht es mit der Organisations- und Verwaltungsautonomie. Gemäß Artikel 21, Absatz 1 des Gesetzentwurfes sind "alle Ermächtigungen und Genehmigungen, welche die Tätigkeiten betreffen, für welche die Schulen zuständig sind, ...abgeschafft". Die Formulierung ist wortwörtlich der staatlichen Durchführungsbestimmung entnommen. Nur hat man in Südtirol Ausnahmen erfunden. Diese haben eines gemeinsam: sie zeugen vom tiefen Misstrauen, mit dem die Politiker und die Schulbehörde Südtirols Schule in die Autonomie entlassen wollen. So dürfen Südtirols autonome Schulen Bildungsvereinbarungen nur treffen und Konsortien nur beitreten, wenn sie die Ermächtigung des Schulamtsleiters einholen. Einen Rechtsstreit anstrengen oder sich auf einen Rechtsstreit einlassen, darf der Schuldirektor auch nur nach Einholen einer Unbedenklichkeitserklärung des Landes. Das fiele doch in die Zuständigkeit des Schulrates, wenn die Schule wirklich eine autonome Körperschaft ist! Für die Verwendung der schulischen Räumlichkeiten, auch für außerschulische Tätigkeiten, ist der Direktor als Verwahrer zuständig. Lässt der Direktor einen Verein nicht in die Schule, entscheidet auf dem Beschwerdeweg das Land bzw. der Bürgermeister, je nachdem, wie die Eigentumsverhältnisse sind. Verantwortlich bleibt aber der Direktor.

Die Kontrolle über die Finanzgebarung wird "seitens der zuständigen Schulamtsleiter ausgeübt", obwohl die Schulämter, laut staatlicher Reformregelung, von einer Aufsichtsbehörde in eine Institution mit Stütz- und Koordinierungsaufgaben umgewandelt werden müssten. In Südtirol wird das Schulamt zur Zeit eher potenziert. So ist das Amt für Schulfinanzierungen erst vor Kurzem dem Schulamtsleiter unterstellt worden. Und erkennt eine Schule einen Studientitel oder ein Bildungsguthaben nicht an, das jemand an einer anderen Schule erworben hat, "ist Beschwerde an den zuständigen Schulamtsleiter zulässig" (Artikel 11). Dies obwohl, gemäß selbem Artikel, die von der Schule getroffenen Maßnahmen als definitive Verwaltungsakte anzusehen sind, gegen welche Einspruch nur bei dem Organ zulässig ist, das den Verwaltungsakt erlassen hat. Gegen die Entscheidungen einer wirklich autonomen Schule dürfte es kein Beschwerderecht bei einer Aufsichtsbehörde, sondern nur die Möglichkeit einer Rechtsbeschwerde beim Verwaltungsgericht geben.


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Autonome Schule - kleine pädagogische Spielwiese?

Was bleibt? Es bleibt eine beschränkte didaktische Autonomie, die Möglichkeit der Festlegung von Wahl- und Freifächern, eine flexiblere Handhabung des Stundenplans, soweit es das Dienstrecht der Lehrer, die personellen Ressourcen und die Strukturen der Schule zulassen. Die autonome Schule als kleine pädagogische Spielwiese. Wenn das alles ist, dann war's viel Lärm um nichts.

 

Gottlieb Pomella ist Direktor an der Handelsoberschule Bozen

 

 

 


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