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        Die Schulbibliothek in 
        der autonomen Schule 
      Von Elfi Fritsche/Franz Tutzer 
      Die Schule ist wieder stärker 
        in den Blick gesellschaftlicher Aufmerksamkeit geraten. Letzthin war es 
        die PISA-Studie, die für einiges Aufsehen gesorgt hat. Will die Schule 
        auch in Zukunft ihrem Bildungsauftrag gerecht werden, wird sie an dem 
        neuen Lernverständnis und dessen Umsetzung in die Praxis arbeiten 
        müssen.  
      Eines der wirksamsten Instrumente, das den Schulen 
        für diese neue Praxis zur Verfügung steht, ist das Gesetz zur 
        Schulautonomie. Dieses Instrument eröffnet der Einzelschule Gestaltungsspielräume 
        und nimmt sie gleichzeitig in die Pflicht.  
        
        Eine Gruppe von Schülerinnen durchforstet Bücher 
        zum Thema Luft  
      Auch für die Schulbibliothek als zentralem Lernort 
        der Schule bietet das Schulautonomiegesetz interessante Perspektiven und 
        Impulse. Welche konkreten Möglichkeiten eröffnen sich nun durch 
        das Schulautonomiegesetz für die Schulbibliothek, wie könnte 
        ein Schulalltag in so einer Bibliothek aussehen? Beim Betrachten folgender 
        Ausführungen, Gedanken und Visionen wird sicher deutlich, dass vieles 
        davon bereits Wirklichkeit ist, es wird aber auch klar, dass es noch viel 
        zeitlichen, finanziellen und persönlichen Einsatz braucht, um an 
        möglichst vielen Schulen eine solche moderne Schulbibliothek entstehen 
        zu lassen.  
      Nebenbei wäre eine solche Bibliothek sicher auch 
        in der Lage, die Ergebnisse der PISA-Studie positiv zu verändern. 
         
      · Didaktische 
        Autonomie 
        ".....Die didaktische Autonomie betrifft die freie und planmäßige 
        Auswahl von Unterrichtsverfahren, Medien, Organisationsformen, Unterrichtszeiten 
        und jede weitere Initiative..." (LG. Nr. 12 vom 29.6.2000, Autonomie 
        der Schulen, Auszug aus Art. 6, Abs. 2) 
      Die Schulbibliothek eröffnet den Lernenden den 
        Zugang zu den unterschiedlichsten Informationsträgern und fördert 
        die Befähigung im Umgang mit diesen. Sie kann ein geeigneter Rahmen 
        sein, um die Lernenden mit verschiedenen Arbeits- und Lerntechniken und 
        unterschiedlichen Sozialformen des Lernens vertraut zu machen. Ist der 
        Klassenraum gewissermaßen die räumliche Verkörperung der 
        alten Vorstellung vom Lernen mit vorherrschendem Frontalunterricht, so 
        symbolisiert die Schulbibliothek das neue Verständnis des Lernens. 
       
        Besuch der Bibliothek in einer Grund- und Mittelschule mit 545 Schüler/innen 
        im Überetsch im Jahr 2003. 
      Wir betreten das Schulgebäude. Gleich beim Eingang 
        werden wir durch Plakate, Hinweisschilder und Bilder auf die Bibliothek 
        aufmerksam gemacht. Sie befindet sich unmittelbar neben dem Eingang. Durch 
        die großen Fenster öffnet sie sich nicht nur nach außen, 
        sondern auch nach innen in die Halle des Schulgebäudes - ein offensichtliches, 
        leicht zu findendes Zentrum, das "Herz der Schule".  
      In der Bibliothek finden wir die Bibliotheksleiterin 
        in der Zeitschriftenecke von einer Schülergruppe der 3. Klasse Grundschule 
        umringt. Die Schüler/innen brauchen dringend Informationen für 
        die Aufgaben einer Lernwerkstatt: Es geht um die 4 Elemente; die Schüler/innen 
        müssen Experimente zum Thema Luft ausfindig machen. Die Bibliothekarin 
        zeigt ihnen das Regal, in dem sie die entsprechenden Bücher finden, 
        legt zwei heraus und weist sie noch auf die Zeitschriftenecke hin, wo 
        zu diesem Thema einiges im GEOLINO Nr. 10 zu finden ist. 
       Während sich diese Gruppe nun auf die Suche 
        macht, zeigt sie zwei Jugendlichen aus der 3. Klasse Mittelschule aus 
        welchem CD-Rom-Lexikon sie sich Informationen für ihr Referat "Die 
        goldenen Zwanziger" holen können. 
        
        In der Bibliothek wird gearbeitet und gewerkelt 
          
      An den PC-Arbeitsplätzen sitzen bereits zwei 
        Schüler. Diese schreiben einen Text für das Spiel "Der 
        Fehlerteufel". Aus einem Sachbuch entnehmen sie einige Informationen, 
        schreiben diese auf und schmuggeln ein paar inhaltliche Fehler in den 
        Text. Eine andere Schülergruppe muss danach die Fehler korrigieren. 
        
      
      · Differenzierung 
         
        "....sie erkennen und nutzen die Unterschiede, fördern die 
        Fähigkeiten jedes Einzelnen... (Auszug aus Art. 6, Abs. 1) 
      "....unter anderem kann sie individuelle Lernwege 
        anbieten... (ebd., Abs.3) 
      Die Differenzierung der Lernwege als Voraussetzung 
        für die bestmögliche Förderung des einzelnen Schülers 
        und der einzelnen Schülerin ist ein zentrales Anliegen im Gesetz 
        zur Schulautonomie. Die Schulbibliothek ist dafür ein unverzichtbares 
        Werkzeug, nicht nur, indem sie ein räumlich differenziertes Arbeiten 
        unterschiedlicher Lerngruppen ermöglicht, sondern vor allem auch 
        dadurch, dass sie differenziertes Lernmaterial verfügbar hält, 
        das Erstellen und Bearbeiten von Arbeitsaufträgen mit unterschiedlichem 
        Schwierigkeitsgrad ermöglicht und insgesamt eine unübersehbare 
        Vielfalt an Lernwegen offen lässt.  
      In der Zwischenzeit sind Schüler aus der 5. Klasse 
        gekommen. Sie suchen sich aus dem Spieleschrank das Quiz- und Brettspiel 
        "Die Zeitfalle". Im Rahmen des Wochenplanunterrichts wiederholen 
        sie auf diese Weise den Geschichtsstoff zu den alten Hochkulturen. Ihre 
        Mitschüler/innen arbeiten mit dem Lehrer in der Klasse. Die Bibliotheksleiterin 
        ist davon unterrichtet. 
        
        Die Bibliothekarin als Beraterin  
      
       
        · Pädagogische Dokumentation 
         
        "...sie sind zuständig für. die pädagogische Dokumentation 
        und deren Verbreitung innerhalb der Schule, den Austausch von Informationen, 
        Erfahrungen und Unterrichtsmaterialien... " (Auszug aus Art.8, Abs.2) 
      Hier eröffnet sich ein bisher vielleicht zu wenig 
        beachtetes Aufgabenfeld für Schulbibliotheken. Eine Schulbibliothek, 
        die ihrer Aufgabe in der autonomen Schule gerecht werden will, wird verstärkt 
        als Dokumentationszentrum von Unterrichtsmaterialien, Projektergebnissen, 
        Arbeitsergebnissen von Schülern und Klassen, Bildmaterial u.a.m. 
        die pädagogische Arbeit begleiten und unterstützen.  
      Als Forum für die Präsentation schulischer 
        Projekte und Arbeitsergebnisse kann die Schulbibliothek auch nach außen 
        wirken.  
      Auf unserem Streifzug durch die Bibliothek bemerken 
        wir neben den Zeitschriftenständern ein Regal mit vielen Comics, 
        die von Schülern auf sehr witzige Weise kommentiert und vorgestellte 
        werden. Gleich daneben eine Präsentation von Schülerarbeiten: 
        Prüfungsmappen der Abschlussklassen, Disketten der Computergruppe, 
        eine Gedichtsammlung der zweiten Klassen.  
      Neben dem sehr großen Buchbestand ist die Bibliothek 
        auch bestückt mit einem Medienschrank: sofort ersichtlich, mit Glastüren 
        versehen, sodass er der Inhalt auch gleich preisgibt: Videokamera, Kassettenrekorder, 
        CD-Player, Diktiergerät, Taschenrechner. In unterschiedlich großen 
        und beschrifteten Schubladen befinden sich Materialien für Freiarbeit 
        und Unterrichtswerkstätten.  
      
       
        · Schulprogramm  
       "...Jede Schule erstellt ... ihr Schulprogramm" 
        (Auszug aus Art. 4, Abs. 1) 
      Die Verpflichtung der autonomen Schulen zur Verständigung 
        über die grundlegenden Ziele und Inhalte schulischer Arbeit kommt 
        in diesem Artikel deutlich zum Ausdruck. Das Schulprogramm wirkt gegen 
        Beliebigkeit und Widersprüchlichkeit und sorgt für Transparenz 
        gegenüber Nutzern und Öffentlichkeit. Wird die Schulbibliothek 
        als zentraler Lernort der Schule verstanden, so wird das Schulprogramm 
        auch auf die Nutzung der Bibliothek eingehen müssen. Im besten Fall 
        wird jede Schulbibliothek im Zusammenhang mit der Arbeit am Schulprogramm 
        an der Schule ihr eigenes Profil entwickeln, aus dem die besondere Form 
        der didaktischen Nutzung, die Schwerpunkte des Buch- und Medienbestandes, 
        personelle und räumliche Ressourcen, die Zeitstruktur sowie Schwerpunkte 
        der Weiterentwicklung und besondere Aktivitäten deutlich werden. 
         
        An der Ausleihtheke erwartet uns die Leiterin der Schulbibliothek. Sie 
        erzählt, dass sie Lehrerin war, dass sie die Spezialisierung zur 
        Schulbibliothekarin und die INTEL-Schulung gemacht hat und jetzt die Bibliothek 
        während der Unterrichtszeit, vormittags und nachmittags, betreut. 
        Aufgrund der Autonomie der Schule ist sie für diese Tätigkeit 
        freigestellt. Damit die Gedanken des Leitbildes und die Vorgaben des Schulprogramms 
        der Schule verwirklicht werden können, arbeitet sie in einem Bibliotheksteam, 
        das aus der Bibliothekarin, zwei Lehrkräften, die jeweils 2 Stunden 
        freigestellt sind, und ihr selbst besteht. Im Leitbild wurde formuliert, 
        dass die Bibliothek nicht nur ein pädagogischer Freiraum sein soll, 
        sondern auch das Durchführen der neuen Lernformen ermöglichen 
        soll. Dazu braucht es ihre Präsenz und Begleitung und die tatkräftige 
        Unterstützung der Kolleginnen.  
        
        Gemeinsam sich auf die Bücherreise einlassen 
       
        
      
      · Kooperation 
        und Schulverbund 
       "...durch Vertrag können sich Schulen 
        zu einem Schulverbund zusammenschließen..." (Auszug aus Art. 
        9, Abs.1),  
      Wenn Schulbibliotheken ein eigenes Profil entwickeln, 
        also deutlich unterscheidbar werden, kann es interessant werden mit anderen 
        Schulbibliotheken oder auch öffentlichen Bibliotheken im Verbund 
        zu arbeiten, um sich in ihrer Arbeit zu ergänzen. Dies kann auf den 
        Medienbestand bezogen sein, aber auch auf das zeitliche Angebot oder die 
        Nutzung räumlicher Ressourcen.  
      Die Bibliotheksleiterin berichtet weiter, dass sie 
        den Bestandsaufbau und die Neubestellungen mit dem Bibliothekar aus der 
        Öffentlichen abspricht, um Überschneidungen und unnötige 
        Doppelbestellungen zu vermeiden und um den Schüler/innen eine noch 
        größere Auswahl an Medien anbieten zu können. Außerdem 
        kann die Schulbibliothek Buchpakete ausleihen, wenn z.B. bestimmte Themen 
        im Unterricht erarbeitet werden und dazu umfassende Literatur vorhanden 
        sein soll. 
      Zwei Schüler aus der 3. Klasse Mittelschule kommen 
        und brauchen Material für ihre fächerübergreifende Abschlussmappe 
        mit dem Thema "Die Benutzung alternativer Energieformen in der Landwirtschaft". 
        Nach dem sie die einschlägigen Sachbücher schon konsultiert 
        haben, mit ihren Recherchen aber noch nicht zufrieden sind, holen sie 
        sich mit Hilfe des Lasis-Netzwerkes genauere Informationen aus der Bibliothek 
        der landwirtschaftlichen Oberschule in Auer.  
      
       
        · Erweiterung des Bildungsangebot 
       "...können die Schulen ihr Bildungsangebot 
        erweitern" (Auszug aus Art.10, Abs.1) 
      Das erweiterte Bildungsangebot richtet sich dabei 
        nicht nur an die eigenen Schüler/innen, sondern auch an andere Jugendliche 
        und an Erwachsene. Für die Schulbibliothek heißt das, dass 
        sie öffentlich zugänglich gemacht werden kann und soll und dass 
        die Nutzung der Bibliothek deshalb auch außerhalb der Unterrichtszeit 
        möglich sein muss. Die einzelnen Schulen werden hier durchaus unterschiedliche 
        Wege gehen. Fachoberschulen werden hier andere Prioritäten setzen 
        als Grundschulen, Schulen in der Peripherie andere als Schulen in größeren 
        Zentren.  
      Die Leiterin weist auf zwei Plakate hin: 
      Auf einem wird ein Nachmittagskurs für Interessierte 
        angeboten, mit dem Thema "Einführung von Multimedia-Programmen". 
         
      Auf dem anderen wird auf eine Elternaktion hingewiesen: 
        "Erzählte Geschichte - Großeltern und Eltern erzählen 
        aus ihrem Leben".  
      
       
        · Organisatorische Autonomie und Verwaltungsautonomie 
       "... soll Flexibilität und Vielfalt 
        ermöglichen.."(Auszug aus Art.7, Abs.1) 
      "... den Schulen werden die Befugnisse in 
        bezug auf die Verwaltung der Haushaltsmittel... zuerkannt." (Auszug 
        aus Art. 11, Abs.2) 
      Der Stellenwert der Schulbibliothek in der autonomen 
        Schule wird nicht zuletzt in der Verfügbarkeit der finanziellen Mittel, 
        im Einsatz von Personal und in verschiedenen organisatorischen Regelungen 
        sichtbar. Das Schulautonomiegesetz bietet hier einen großen Spielraum. 
        Auch hier gilt: je besser die Arbeit der Schulbibliothek im Schulprogramm 
        verankert ist, umso nachvollziehbarer wird der Anspruch auf die benötigten 
        Ressourcen.  
      Es wird Zeit sich zu verabschieden von einer Bibliothek, 
        die nicht nur großzügig geplant und eingerichtet ist, die einen 
        enormen Medienbestand aufweist, in der intensiv geforscht und gespielt 
        wird, in der gelernt wird, wie und wo man sich Informationen beschaffen 
        und diese kreativ verarbeiten kann und die eine fachkundige Beratung und 
        Begleitung anbietet. 
      Wer aber soll das bezahlen? Auch darauf weiß 
        unsere Bibliotheksleiterin eine Antwort: Die Schule hat einen Förderverein 
        gegründet, aus dessen Fond die Bibliothek immer wieder Geldmittel 
        erhält. Mitglieder dieses Vereins sind nicht nur Privatpersonen, 
        sondern auch die Sparkasse und der Getränkemarkt des Ortes. 
      
      Die hier skizzierten Entwicklungsmöglichkeiten, 
        Schwerpunkte und Aufgabenfelder der Schulbibliothek in der autonomen Schule 
        können und wollen nicht  
      vollständig sein. Die Praxis autonomer Schulen 
        wird auch in Bezug auf die Schulbibliothek Neues und Überraschendes 
        hervorbringen. Der ehemalige Unterrichtsminister Luigi Berlinguer meinte 
        einmal: "La biblioteca scolastica è la sede ed il motore dell'autonomia 
        della scuola" (Aussage beim Kongress "Imparare ad imparare. 
        La nuova centralità della biblioteca scolastica", Bologna, 
        10. April 1999). Die Schulbibliothek als Impulsgeber für die autonome 
        Schule. Eine schöne Perspektive.  
       
        Angaben zu den Autoren: 
      Elfi Fritsche ist Buchautorin und in der Aus-u. 
        Weiterbildung der Bibliothekare/Bibliothekarinnen tätig 
      Franz Tutzer ist Direktor an der Oberschule für 
        Landwirtschaft 
        
      
        
      
        
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