A RBEITSGEMEINSCHAFT
P
ÄDAGOGISCHE
Z EITSCHRIFT

Das Lernen gemeinsam angehen
Unterrichtsbaustein Projektarbeit

Die Projektarbeit bildet Kinder und Lehrpersonen durch das bewusste Erleben der Wirklichkeit, durch handelndes Eingreifen und Reflektieren. Wahrnehmen, erschließen, verstehen und handeln richten sich dabei gleichwertig auf Lernziele der Sachkompetenz, der Sozialkompetenz und der Lern- und Arbeitskompetenz.

Projektunterricht, projektorientiertes Lernen, projektartiger Unterricht, Projektmethode und Projekt sind Begriffe, die in den letzten Jahren Einzug ins schulische Vokabular gefunden haben. Sie werden im Schulalltag kaum differenziert gebraucht und von verschiedenen Leuten auch ganz unterschiedlich verstanden.

Definitionen

Nach Karl Frey ist "die Projektmethode ein Weg zur Bildung. Sie ist eine Form der lernenden Betätigung, die bildend wirkt." Wird die Projektmethode konsequent eingesetzt, dann macht die Lerngruppe Projektunterricht und es entsteht ein Unterrichtsprojekt, oft auch nur Projekt genannt.

Nach Wolfgang Klafki sind Projekte "geplante und durchgeführte Unternehmungen, die in ein vorweisbares, in irgendeinem Sinne verwendbares Werk, eine Veranstaltung oder eine Aktion ausmünden, durch die die betreffende(n) Klasse(n) oder Gruppe(n) gestaltend beziehungsweise verändernd in das Schulleben oder in die kommunale Öffentlichkeit eingreifen."

Und Karl Frey meint: "Entscheidend dabei ist, dass sich die Lernenden ein Betätigungsfeld vornehmen, sich darin über die geplanten Betätigungen verständigen, das Betätigungsgebiet entwickeln und die dann folgenden verstärkten Aktivitäten im Betätigungsgebiet zu einem sinnvollen Ende führen. Oft entsteht ein vorzeigbares Projekt."

Ziele und Begründungen

Die Projektarbeit will (ebenso wie Planarbeit, Freie Tätigkeit und Freier Ausdruck, die anderen drei Unterrichtsbausteine des Konzeptes "Mit Kindern Schule machen") dazu beitragen, dass die Kinder ihre Lernprozesse zunehmend selber gestalten und dabei ihre Sach-, Lern- und Arbeits- und Sozialkompetenz weiterentwickeln. Darüber hinaus stecken in der Projektarbeit besonders ausgeprägt noch folgende Anliegen, Ziele und Möglichkeiten:

Schule öffne dich!
Lernen vor Ort, d. h. die Schule öffnen und aus ihr heraustreten, stellt im wörtlichen Sinn eine Gegenbewegung zum verschulten Lernen dar. Auch heute ist das schulische Lernen vielerorts noch allzu stark auf das Schulzimmer beschränkt. Das Leben und die Welt werden mit Medien und vereinfachenden Darstellungen ins Schulzimmer geholt und von den Kindern aus zweiter Hand konsumiert.

Lernen aus Betroffenheit
Die Projektarbeit ermöglicht, fordert und fördert ein hohes ganzheitliches Engagement der Kinder. Diesen Anspruch einzulösen ist möglich, weil hier nicht von Lernen für den Lehrplan, von Lernen auf Vorrat oder von Lernen aus Zwang, sondern von Lernen aus Betroffenheit ausgegangen wird. Der Bruch zwischen Schule und "richtigem Leben", zwischen müssen und wollen, zwischen nachvollziehen und eintauchen, wird aufgehoben oder zumindest entscheidend verkleinert.

Zusammenhänge handelnd erfahren und verstehen
Vernetztes Denken und Handeln, die heute unbestritten zu den zentralen Forderungen unserer Zeit gehören, sind auch Grundpfeiler der Projektarbeit. Nicht mehr einzelne Sachverhalte stehen im Vordergrund, sondern Themenkreise, deren vielfältige Aspekte und Beziehungen untereinander ein System ausmachen, das es zu verstehen und zu beachten gilt.

Gleichgewicht zwischen den Kompetenzbereichen
Lernziele in der Sachkompetenz, Lern- und Arbeitskompetenz und Sozialkompetenz stehen in der Projektarbeit gleichgewichtig nebeneinander. In den verschiedenen Arbeitsphasen werden sie von der Lehrperson und den Kindern gemeinsam festgelegt, bearbeitet und überprüft.

Als Gemeinschaft lernen
Während der Projektarbeit arbeitet die ganze Lerngruppe an ihrem gemeinsamen Thema. Ein- und Unterordnung der persönlichen Interessen, Engagement zu Gunsten eines Gemeinschaftsanliegens und Offenheit für Themen und Arbeiten, die nicht jedes Kind auf seiner Hit-Liste führt, werden als Ansprüche an das einzelne Kind gestellt. Ohne den Aufbau solcher Einstellungen wird eine Lerngruppe während der Projektarbeit handlungsunfähig. Gerade in der Projektarbeit erlebt das Kind, dass Ichbezogenheit ohne Rückbindung an die Gemeinschaft das Zusammenleben erschwert und letztlich auch die eigene Zufriedenheit verunmöglicht. In der Projektarbeit muss das Kind den Platz finden, von dem aus es sich mit seinen Möglichkeiten für die Gemeinschaftsarbeit engagieren kann. Von der Gemeinschaft wird die Offenheit und Flexibilität verlangt, die es ermöglicht, die Beiträge der einzelnen Kinder oder Gruppen zu einem gemeinsamen Ganzen zu verweben.

Die Projektmethode

Die Projektmethode ist die Grundlage der Projektarbeit. Im Projektunterricht wird sie konsequent eingesetzt; andere Unterrichtsformen (z. B. der projektorientierte Unterricht und der Werkstattunterricht) übernehmen einzelne Elemente.

Offener, kindzentrierter Unterricht nach einem Vier-Phasen-Schema erscheint auf den ersten Blick als Widerspruch. Offenheit bedeutet aber nicht totale Strukturlosigkeit. Das Vier-Phasen-Schema kann eine Struktur sein, mit der eine Lerngruppe die Offenheit tatsächlich nutzen kann. Es zeigt modellhaft ideal die verschiedenen Phasen des Projektunterrichts und deutet ihre Dimensionen an. Es kann für die ganze Lerngruppe eine Orientierungshilfe sein, mit der Lehrpersonen und Kinder ihren ganz eigenen Weg entwickeln. Je nach Projekt und Projektdauer werden die verschiedenen Phasen unterschiedlich gewichtet.

Das Vier-Phasen-Schema

Das hier vorgelegte Vier-Phasen-Modell ist eine persönlich gefärbte und gestaltete Zusammenfassung nach dem Buch "Projektmethode" von Karl Frey aus dem Beltz-Verlag.

1. Themenwahl und Zielsetzung
Die erste Phase eines Projekts umfasst die drei Schritte der Themenwahl, der Erschließung und der Zielsetzung. Das Thema wird von den Kindern oder von der Lehrperson eingebracht, sollte möglichst viele interessieren und die Arbeit in allen drei Kompetenzbereichen zulassen. Das Thema wird inhaltlich aufgefächert und nach außen vernetzt. Die ganze Lerngruppe soll die inhaltliche Vielschichtigkeit des gewählten Themas und die Vernetzung zu anderen Themen erkennen und so die Grundlage für die Einordnung und Zielsetzung des Projekts erhalten. Das Endprodukt, die Aktion oder Fertigkeit wird festgelegt, und die Lernziele für die Sach-, Lern- und Arbeits- und Sozialkompetenz werden bestimmt.

2. Planung
In dieser Phase geht es um die Festlegung der Arbeitsschritte, des zeitlichen Ablaufs, der Arbeitsform, der Arbeitsmittel, der Informationsbeschaffung, der Projektleitung, der Finanzierung usw.. Die Kinder lernen, Lernprozesse wirkungsvoll zu planen und zu gestalten. Sie erfahren, dass Pläne immer wieder der Realität anzupassen sind und dass sie auch an den Umgang mit möglichen Schwierigkeiten denken müssen. Die Planung kann eine gruppendynamisch heikle Phase sein. Sie entscheidet stark über das Gelingen eines Projekts. Oft sind Kinder vom gewählten Projektergebnis so begeistert, dass ihnen die Planungsphase wie eine unnötige Verzögerung vor der Durchführung erscheint. Es ist Aufgabe der Lehrperson, eine Brücke zu schlagen zwischen der Spontaneität der Kinder und den berechtigten Planungsanliegen. Die Lehrperson wird Planungshilfen zur Verfügung stellen und eine Meta-Kommunikation über den Planungsverlauf einleiten.

3. Durchführung
Die Kinder beschaffen sich die Informationen (Materialien, Kontakte), die sie für die Realisierung ihres Projektergebnisses benötigen. Die Lehrperson stellt sich als Informationsquelle so zur Verfügung, dass die Kinder ihre Informationen immer lehrerunabhängiger erschließen können. Die Arbeitstechniken zur Informationsspeicherung müssen schon vor dem Ernstfall bekannt sein. Das zusammengetragene Material wird so gesichtet, gesäubert, vervollständigt und aufgearbeitet, dass als nächster Schritt die Darstellung möglich wird. Die Lehrperson macht Qualitätsansprüche deutlich. Sie unterstützt die Kinder bei der Erarbeitung einer prozessorientierten Darstellung, zumal sich diese bei vielen Projektergebnissen als recht anspruchsvoll erweist. Das Endprodukt, die Fertigkeit oder Aktion werden anderen vorgestellt.

4. Auswertung
In der Rückschau stellen die Kinder und die Lehrperson die Lernfortschritte fest und beurteilen sie; es erfolgt eine Überprüfung der festgelegten Ziele in den drei Kompetenzbereichen. In der Ausschau werden Konsequenzen für die weitere Projektarbeit festgehalten.

Thematische, arbeitstechnische oder gruppendynamische Standortbestimmungen werden je nach Erfordernis und Bedürfnis bereits innerhalb der einzelnen Phasen oder zwischen ihnen in Kleingruppen oder in der ganzen Lerngruppe durchgeführt.

Der Einstieg in die Projektarbeit

Projektorientierter Unterricht oder Projektunterricht ist grundsätzlich mit jeder Lerngruppe möglich. Die Intensität und Konsequenz des Einsatzes der Projektmethode muss aber der Situation angepasst sein.

Wo steht die Lerngruppe?
Das Alter der Kinder spielt beim Einsatz der Projektmethode eine entscheidende Rolle: Mit Schulanfängern müssen im projektorientierten Unterricht Sozialformen und Arbeitstechniken schrittweise eingeführt und aufgebaut werden. Dafür muss und darf viel Zeit eingesetzt werden, denn die Erweiterung der Sozial- und Arbeitskompetenz steht in der Projektmethode mindestens gleichwertig neben der Erweiterung der Sachkompetenz.

Dabei ist sorgfältig darauf zu achten, dass der spontane Arbeitseifer der noch kleinen Kinder nicht durch für sie nicht einsehbare Planungsschritte oder durch Reflexionsgespräche über ihren Köpfen und Herzen hinweg verloren geht. Das transparente Verhalten der Lehrperson ersetzt viele Gespräche. Die Lehrperson ist für die Kinder ein Modell, durch das sie viele für die Projektmethode typische Verhaltensweisen erleben und übernehmen.

Die Erfahrung der Kinder mit der Projektmethode muss berücksichtigt werden: Beim Übergang vom projektorientierten Unterricht zur Projektarbeit ist es für die Kinder eine Hilfe, wenn die Lehrperson sie über die Phasen eines Projektes informiert. Die Lerngruppenplanung mit einem groben Phasenraster, in den der Verlauf des konkreten Projekts stichwortartig eingetragen wird, trägt viel zum Verständnis dieser neuen Lernmethode, zur Orientierung, zur Sicherheit und damit zur inneren und äußeren Ruhe der Kinder bei.

Wo steht die Lehrerin oder der Lehrer?
Ein entscheidender Punkt eines Unterrichtsprojektes ist es, dass die Lehrperson es nicht für, sondern mit den Kindern durchführt. Dieses Kriterium steht aber nicht im Widerspruch zur Tatsache, dass in der Primarschule in der Regel die Lehrperson die Projektleitung übernimmt.
Ein Projekt kompetent zu leiten, stellt recht hohe und breit gefächerte Anforderungen: Den Überblick behalten, die spezifischen Leitungsfunktionen während der verschiedenen Phasen übernehmen und dabei immer möglichst viel den Kindern überlassen usw.. Dies erfordert auch von der Lehrperson gegenüber dem traditionellen Unterricht neue Kompetenzen.
Deshalb ist es richtig, wenn die Lehrperson sich selber eine schrittweise Einarbeitung in die Projektarbeit erlaubt. Dies kann je nach Lerntyp auf sehr unterschiedliche Weise geschehen: Durch die Steigerung der Komplexität der Projekte im Unterricht, durch Praxisbegleitung, durch Literatur- und Beispielstudium, durch die Arbeit in einer Lehrer- und Lehrerinnengruppe, durch die Mitarbeit in einem außerschulischen Projekt, durch Hospitation usw..

Prinzip Offenheit

Gerade das Prinzip Offenheit muss im Projektbereich definiert werden, damit es bei Lehrerinnen und Lehrern, Kindern und Eltern nicht ständig zu Enttäuschungen oder Missverständnissen kommt. Was ist mit Offenheit im Unterricht gemeint?

Ein Unterricht ist offen,
wenn der Inhalt oder Lerngegenstand Teil der Lebenswelt und der Interessen der Kinder ist. Es ist möglich, dass die Kinder ihren Wunsch nach einem bestimmten Unterrichtsthema ganz direkt äußern. Ebenso gut ist es möglich, dass der Lehrer oder die Lehrerin ein Unterrichtsthema einbringt. Auch in diesem Fall orientiert sich die Lehrperson an den Interessen und Bedürfnissen der Kinder. Voraussetzung dazu ist eine große Sensibilität der Lehrperson für das Leben der Kinder und die damit verbundenen offenen, aber auch verdeckten Bedürfnisse und Anliegen.

Ein Unterricht ist offen,
wenn er die Arbeit in allen Kompetenzbereichen ermöglicht, und wenn die Lernenden in die Bestimmung der zu erreichenden Lernziele einbezogen werden. Das bedeutet, dass ein für den Unterricht vorgesehenes Thema daraufhin geprüft werden muss, ob und wie es die Arbeit an der Sachkompetenz, an der Lern- und Arbeitskompetenz und an der Sozialkompetenz zulässt, und auf welche Lernziele sich die Gruppe und das einzelne Kind konzentrieren wollen.

Ein Unterricht ist offen,
wenn er methodisch so aufgebaut ist, dass die Lernenden in allen Phasen mitentscheiden, und wenn das Thema vielfältig bearbeitet werden kann. Die Projektmethode ist eine konsequente Antwort auf diese Forderung.

Das so verstandene Prinzip Offenheit verändert selbstverständlich die Unterrichtsplanung gegenüber der Planung im traditionellen Unterricht.

Jedes Projekt ist ein Stück gemeinsamer Weg, auf dem eine Lerngruppe Erfahrungen macht und Schlüsse zieht, die nicht so attraktiv darstellbar sind wie das vorweisbare Projektergebnis. Die Bedeutung dieses Wegs übertrifft aber oft das sichtbare Resultat.

Dieser Beitrag enthält Auszüge aus dem Buch "Mit Kindern Schule machen" von Edwin Achermann (hrsg. vom Verlag Lehrerinnen und Lehrer Schweiz, Zürich, 4. überarbeitete Auflage, 1995, ISBN 3-85809-077-8 A) und wurde von Tamani Marsoner und Maria Vötter zusammengestellt.

Edwin Achermann ist Primarschullehrer, Schulberater und Gründer die Freien Volksschule Nidwalden, deren Unterrichtsmodell später auf eine staatliche Primarschule übertragen wurde.


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