Der emanzipatorische Anspruch von Projekten
oder: Zählt nur die Kultur des Wortes?

Schülerzitate
"Die Projekte, die nur von den Lehrern geplant werden, sind irgendwie fad..."
"Man kann sich nicht aussuchen, worüber man wirklich mehr wissen will..."
"Bei Projekten hört man die Meinung von anderen; ich lerne unterschiedliche Meinungen auszustreiten..."
"Bei der Projektarbeit kann ich mich so richtig in eine Sache hineinversetzen vorausgesetzt, man interessiert sich dafür..."
"Ein Projekt machen ist schon sehr anstrengend. Sehr aufwendig ..."

Eine neue Rolle der Lehrer/innen
Prinzipiell gibt es keine Voraussetzungen für den Projektunterricht, außer der Bereitschaft der Lehrer/innen, ihre Rolle so zu verändern, dass sie nicht mehr nur Lehrende sind, sondern unterstützende, helfende und mitlernende Partner/innen der Schüler/innen werden, die auf deren Interessensschwerpunkte eingehen.
Lehrer, Bundesrealgymnasium Imst

Lehrerzitate
"Ich bin vom Ertrag des Projektunterrichts nicht sehr überzeugt ..."
"Beim Projektunterricht begeistert mich die große Motivation der Schüler ..."
"Projekte sind sehr zeitaufwendig ..."
"Es bereitet Probleme, alle Schüler einer Klasse zu beschäftigen ..."
Projektunterricht Eine Definition
Eine Gruppe von Lernenden nimmt sich ein Thema vor, verständigt sich über Subthemen und Aufgaben, vereinbart Ziele, entwickelt gemeinsam das Arbeitsfeld, führt vorwiegend in Kleingruppen die geplanten Arbeiten durch, schließt das Projekt für die Gruppe und die soziale Umwelt sinnvoll ab, reflektiert und dokumentiert die Arbeit.
Merkmale des Projektunterrichts
1. Situationsbezug und Lebensorientierung
2. Orientierung an den Interessen der Beteiligten
3. Selbstorganisation und Selbstverantwortung
4. Gesellschaftliche Praxisrelevanz
5. Zielgerechte Projektplanung
6. Einbeziehung vieler Sinne
7. Soziales Lernen
8. Interdisziplinarität
Projektunterricht und Lehrer/in
Um den Projektvoraussetzungen wie inhaltliche, soziale, organisatorische Kompetenzen und den effizienten Arbeitstechniken gerecht zu werden, benötigen Lehrer/innen Unterstützungen in der Lehrerfortbildung. Themenkreise könnten sein: Grundkenntnisse in Gruppendynamik, Projektmanagement, Reflexionsmethoden, Formen des sozialen Lernens und des offenen Lernens, teambildende Maßnahmen, Mediation, Präsentationstechniken.
Gottfried Mair

Projekte - was soll das schon wieder?

Projekte sind nicht nur etwas für Sonntagsreden, Projekte sind im Schulalltag machbar. Projektunterricht ist ein schillernder und ein missbrauchter Begriff. Nicht selten wird ein Waldspaziergang im Biologieunterricht oder ein römisches Gelage im Lateinunterricht als Projekt bezeichnet. Geschaftelhuberei und Leistungsverfall sagen die einen, Euphorie, Hinweise auf pädagogische Chancen die anderen.

 

Drei Beispiele von Projektthemen gefällig?

In einer Hauptschule geht es eine Woche lang um das Projekt Kolumbus. Ein Projekt, an dem Schüler/innen aller Klassen mitarbeiten.

Der Dorfplatz neben der Schule mit der Haltestelle des Schulbusses soll der Dorferneuerung unterzogen werden. Dabei kommen eher straßenbauliche Maßnahmen als Grünraumgestaltung zum Zuge. Die Schülergruppe eines Realgymnasiums entwirft nun ein Konzept, ökologisch orientiert, aber dennoch unter Berücksichtigung der infrastrukturellen Erfordernisse (Buszufahrt, Einkaufen, Durchzugsverkehr...). Der Plan wird den Gemeindepolitikern und dem Dorferneuerungsausschuss vorgestellt und diese sollen die Überlegungen bei der Umsetzung des Gesamtprojektes mitberücksichtigen.

In einem Gymnasium befragt eine Schülergruppe Passanten nach ihrem Lieblingslied und fordert diese zum Vorsingen auf.

 

"Mathematikunterricht einmal anders" und Projektmanagement

Schüler/innen lernten, Umfragen auszuwerten, Statistiken anzufertigen und zu präsentieren und dachten über mathematische Probleme nach.

In Kürze ein Auszug und zwar der Reihe nach: Am Anfang stand die Idee "Wir wollen ein Projekt machen". Nur keiner der Schüler hatte bisher Erfahrungen im Projektunterricht gemacht. Sie kannten Projektarbeiten aus Zeitungsmeldungen anderer Schulen im Ort. Was dahintersteckt, z. B. Projektkriterien, das wussten sie nicht. Zuerst wurden Begriffe wie Statistik etc. in Form eines Brainstormings "erforscht", gemeinsam diskutiert und geklärt. In den folgenden Stunden wurde unter Einbeziehung von Experten aus der Wirtschaft eine inhaltliche Konkretisierung vorgenommen und nach einer Verbindung zwischen tragfähigen Themen und Projektmethoden gesucht. Aus zahlreichen Vorschlägen entstanden Gruppen zu folgenden Themen: Erkundung bei Markt und Meinungsforschungsinstituten, das (alte) und (neue) Freizeitverhalten von Schüler/innen, das Umweltverhalten von Jugendlichen etc..

Ehe die Gruppen ganz in ihren Teilprojekten versanken, wurde die Art der Dokumentation, des Informationsaustausches in der Klasse, der Leistungsbeurteilung, der Vorstellung der Ergebnisse und Prozesse durch alle Schüler sowie der Ablauf der Entscheidungsfindungen vereinbart.

Und nun ging's los: Gefragt war selbstständiges Arbeiten: Wie interviewe ich? Wie stelle ich einen Fragebogen zusammen? Wie kommen wir zu guten Ideen? Wie organisieren wir die Gruppenarbeit? Wie kooperieren wir mit den anderen Gruppen? Der Lehrer sollte die Rolle des Moderators annehmen.

Ohne Einmischung des Lehrers Ziele zu formulieren, konkrete Maßnahmen zu erarbeiten und einen Aktionsplan inklusive der Aufstellung eines realisierbaren Zeitplans zu entwickeln, das bedeutete für die Schüler/innen Schwerarbeit, brachte Stimmungsschwankungen sowie viele Zweifel und Unsicherheiten.

Aber genug damit. Es sollte nur ein erster Einblick in die Projektarbeit sein.

 

Ein weiteres Fallbeispiel: Schule im Schülerobjektiv

Eine Schule betrieb Selbstevaluation und wählte für dieses Schulprojekt die Methode der Fotoreportage. Das Projekt gliederte sich in drei Phasen:

1. Einführungsphase
Die Schüler/innen der 8. Klasse stellten sich während eines Unterrichtsprojektes im Deutsch und Biologieunterricht die Aufgabe, die positiven und negativen Seiten des Schulalltages mit Hilfe von Fotos zu dokumentieren. Der Lehrer erläuterte kurz den Inhalt des Evaluationsprojektes als Rahmen, in welchem dem Unterrichtsprojekt eine wichtige Aufgabe übertragen wurde. Folgende Arbeitsvorgaben wurden gemeinsam entwickelt und waren von nun an von den Schülerinnen und Schülern zu beachten:

  • Es waren Gruppen von jeweils vier bis fünf Schüler/innen zu bilden. Dabei sollten Erfahrungen beim Fotografieren berücksichtigt werden.
  • Die Zahl der möglichen Aufnahmen (Motive) wurde auf sechs pro Gruppe beschränkt.
  • Positives und Negatives sollte erkundet werden. Für den Umfang der Darstellung beider Aspekte im Rahmen der sechs Aufnahmen gab es keine Auflagen.
  • Im Rahmen der Gruppenarbeit waren die Fotos durch einen kurzen Text zu interpretieren.
  • Als Zeitvorgabe waren einzuhalten: jeweils zwei Stunden für die Planung, das Fotografieren und die Auswertung der Fotos in der Gruppe.
  • Die Schüler/innen wurden auch darüber informiert, dass sie für ihre Arbeitsergebnisse eine Note erhalten. Als Bewertungskriterien sollte die Qualität des Erklärungstextes (Inhalt, Ausdruck, Rechtschreibung und Grammatik), der Zusammenhang zwischen den Fotos und den Texten sowie der Gesamteindruck Beachtung finden.

2. Arbeitsphase
Die selbstständige Bildung von arbeitsfähigen Gruppen stellte für die Schüler/innen kein Problem dar. Die Arbeitsaufgabe fand breite Zustimmung. Viele Motivideen wurden in relativ kurzer Zeit gesammelt. Zur intensiven Auseinandersetzung kam es in den Gruppendiskussionen insbesondere bei der Einigung auf die nur sechs möglichen Fotomotive. Abzuwägen war auch die Eignung der Ideen für die fotografische Umsetzung. Letztendlich entschied man sich in allen Gruppen einerseits für originelle Schnappschüsse in der Schule und im Schulumfeld, andererseits wurden Situationen für die Aufnahmen nachgestellt. Nach dem ersten Gespräch über die Fotoergebnisse in den Gruppen wurde die Erstellung der Textentwürfe als Aufgabe auf die einzelnen Gruppenmitglieder verteilt. Diese ersten Texte wurden dann in der Gruppe besprochen, im Anschluss entsprechend den Vorstellungen der Gruppe überarbeitet. Zum Abschluss wurde für die Präsentation des Gruppenarbeitsergebnisses im Klassenverband ein Blatt mit den Fotos und Texten in möglichst ansprechender Form gestaltet.

3. Auswertungsphase
Die Gruppen stellten ihre Arbeitsergebnisse im Klassenverband vor und begründeten die Auswahl ihrer Motive. Nachdem die Projektleistungen durch die Mitschüler verbal eingeschätzt worden waren, bewertete der Lehrer die erbrachten Leistungen.

 

Zu den Ergebnissen der Fotoevaluation im Einzelnen: Ein Beispiel

Eine Gruppe befasste sich in ihrer Arbeit mit dem Standort und dem Umfeld der Schule und mit dem Schulgebäude. Die Schüler/innen bewerteten den Standort der Schule positiv. Da die Schule sich mitten im Wohngebiet der Gemeinde befindet, ist sie gut in den Stadtteil eingebunden. Kontakte der Schule zum öffentlichen Leben im Wohngebiet sind leicht herstellbar. Die Schüler/innen haben dies vor allem zu den Schulfesten als sehr angenehm registriert.

Die Außenanlagen der Schule verschiedene Sport und Erholungsanlagen einschließlich des schulischen Biotops laden nicht nur die eigenen Schüler/innen zu Freizeitaktivitäten ein, sondern stehen auch für deren Freunde als Treffpunkt zur Verfügung, allerdings leider nur bis 16.00 Uhr an den Wochentagen, obwohl besonders in den Sommermonaten eine zeitlich längere Nutzung von den Kindern und Jugendlichen gewünscht wurde. Gleiches trifft auf die Turnhalle der Schule zu, welche für die Freizeitgestaltung der Schüler/innen tabu ist.

Die Schüler/innen waren sehr unzufrieden mit dem Zustand der Toiletten. Durch Um und Ausbau der Toilettenanlagen wurde zwischenzeitlich die ungenügende Sauberkeit des Sanitärbereichs als negativer Aspekt an der Schule durch den Schulträger ausgeräumt.
Positiv bewerteten die Schüler/innen die "Ordnungswettbewerbe" an der Schule. Sie wissen, dass diese Wettbewerbe zur Pflege der von ihnen selbst gestalteten Dinge beitragen und dass man dadurch auch die Arbeit anderer zu schätzen lernt.

Auch empfanden die Schüler/innen helle, übersichtliche und neu möblierte Unterrichtsräume wie den renovierten Chemieraum wesentlich motivierender zum Lernen als den veralteten Physikraum. Sie wünschten sich, ihre Klassenräume selbst gestalten zu können; bestehende Vorschriften und nicht vorhandene finanzielle Mittel setzten hier Grenzen.

Schülerkommentar: "Physikraum Altertumswert?" Genau dies trifft den Nagel auf den Kopf. 20 Jahre Schulgebäude, genauso alt ist die Einrichtung samt Arbeitsmaterial dieses Raumes. "Vorsicht, nichts anfassen, sonst zerfällt es womöglich noch! Wäre da nicht mal eine Generalüberholung