Die neue Schule autonom und recht(s) persönlich von Gottlieb Pomella
Im Rahmen der Ausbildung der Südtiroler Schuldirektoren zu Führungskräften der autonomen Schule referierte Staatsadvokat Guido Denicolò zwei Tage lang zum Thema Autonomie und Rechtspersönlichkeit im Lichte des Landesgesetzes zur Schulautonomie. Die vorliegenden Gedanken fußen auf dessen Betrachtungen und entwickeln diese kritisch weiter.
Die Entscheidung des staatlichen Gesetzgebers, jeder einzelnen Schule Rechtspersönlichkeit und Autonomie zu geben, ist Teil der Reform der öffentlichen Verwaltung Italiens, Teil einer neuen Auffassung von Staat sowie Teil einer veränderten Auffassung von Schule und Bildung. Die Autonome Provinz Bozen hat auf dem Gebiet der Schulbildung
nur sekundäre Gesetzgebungsbefugnis. Zähneknirschend und misstrauisch
gibt sie mit eigenem Landesgesetz Befugnisse an die autonomen Schulen
weiter, die sie gerne für sich behalten hätte. Doch das Parlament
wollte nicht eine erweiterte Regional- bzw. Landesautonomie auf dem Gebiet
des Schulwesens, sondern die Autonomie jeder einzelnen Schule.
Das Instrument der Autonomie Ein besonderes Instrument, womit der Gesetzgeber die autonomen Schulen ausstattet, ist die Rechtspersönlichkeit. An und für sich wäre die Autonomie der Schule auch ohne eigene Rechtspersönlichkeit denkbar. So wie es umgekehrt bisher schon Schulen mit Rechtspersönlichkeit, aber ohne besondere Autonomie gegeben hat (Fachoberschulen und Lehranstalten). Wenn nun aber jede einzelne Schule ein eigenes Rechtssubjekt mit eigenen Befugnissen und Organen wird, dann entsteht die konkrete Voraussetzung für Gestaltungsfreiheit und Selbstverantwortung. Selbstverständlich wird die Schule nicht zu einem souveränen Gebilde, zu einer Art Freistaat. Wie alle anderen autonomen Körperschaften öffentlichen Rechts bewegt sich auch die autonome Schule im Rahmen der gesetzlichen Normen, durch die sie geregelt ist. Doch gerade in dem Moment mit Insistenz von "Teilautonomie" zu sprechen, wo sich die Schule anschickt, sich von der sie bisher beaufsichtigenden Behörde zu emanzipieren, ist Zeichen von Misstrauen und eine klare politische Willensäußerung. Als wollte man sagen: Erwartet euch nicht zu viel. Doch: "Eine Frau ist schwanger oder sie ist es nicht. Sie kann nicht ein bisschen schwanger sein." So formulierte es Staatsadvokat Guido Denicolò bei der Direktorenausbildung. Tatsächlich wissen wir heute noch nicht, wieviel Gestaltungsfreiheit den einzelnen Schulen noch bleiben wird, wenn einmal die noch ausstehenden Anwendungsgesetze und Durchführungsverordnungen erlassen sind. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor ist durch den Umstand gegeben, dass Unterrichtsminister Berlinguer in der neuen Regierung nicht mehr vertreten ist. Wenn der Grund für seine Nichtbestätigung in der ausgesprochenen Reformfreudigkeit zu suchen ist ( Maturareform, Schulautonomie, Schulstufenreform, Universitätsreform), dann besteht auch die Gefahr, dass in Rom und in Bozen durch die zu erlassenden Durchführungsbestimmungen zum Teil zurückgenommen wird, was im Reformgesetz vorgezeichnet war.
Ein komplexer Betrieb Verglichen mit anderen autonomen Körperschaften öffentlichen Rechts ist die autonome Schule ein sehr komplexer Betrieb. Unter einem Dach müssen die Lehrfreiheit der Lehrer, das Erziehungsrecht der Eltern, der Bildungsauftrag der Gesellschaft, die in der Schülercharta verbrieften Schülerrechte, die Mitbestimmungsrechte der Kollegialorgane und der Führungsanspruch des Direktors zusammenleben. Konkret möglich ist dies nur durch die gemeinsame Ausarbeitung des Schulprogramms, an dessen Umsetzung sich alle Komponenten der Schulgemeinschaft aktiv beteiligen. So gesehen ist das Schulprogramm, zusammen mit dem Leitbild der Schule, das Instrument der Autonomie schlechthin. Die Schule setzt sich ein Ziel, arbeitet konsequent und transparent an dessen Verwirklichung, legt Kriterien für die Überprüfung des Erreichten fest und bestätigt oder revidiert den eingeschlagenen Kurs.
Ein selbstverantwortliches Rechtssubjekt Die autonome Schule ist in erster Linie eine selbstverantwortliche
Schule. Als autonome Körperschaft hat sie keine administrativen Vorgesetzten
mehr. Insofern beinhaltet das Autonomiegesetz keine reine Dezentralisierung
von Verwaltungsbefugnissen. Es schafft vielmehr neue Rechtssubjekte mit
autonomen Befugnissen. Das heißt, die autonomen Schulen haben ihre
besondere Form der internen Willensbildung (Mitbestimmung), handeln durch
eigene Organe (Schulrat, Professorenkollegium, Direktor) und tragen für
ihr Tun die Verantwortung den eigenen Kunden (Schüler und Eltern)
und der Gesellschaft gegenüber.
Die neue Rolle des Direktors In der autonomen Schule ist auch die Funktion und Rolle des Direktors eine völlig neue. Er ist ein Organ des neuen Rechtssubjekts Schule und dessen gesetzlicher Vertreter. Mit der autonomen Körperschaft, der er vorsteht, verbindet ihn rechtlich ein sogenanntes Organverhältnis. In dieser Eigenschaft hat der Direktor keinen administrativen Vorgesetzten mehr. Bisher war es der Schulamtsleiter. Der Direktor ist aber gleichzeitig ein öffentlicher
Beamter des Staates bzw. des Landes. Als solcher hat er ein öffentliches
Dienstverhältnis und weiterhin auch Vorgesetzte, die für seinen
Stundenplan, den Urlaub und die Einhaltung der Dienstpflichten zuständig
sind. Die autonomen Leitungs- und Koordinierungsbefugnisse,
mit denen der Direktor der autonomen Schule ausgestattet ist, konkurrieren
fallweise mit den Befugnissen der Kollegialorgane der Schule. Rücksicht
nehmen muss der Direktor auch auf Kollektivverträge und Dienstrecht,
wobei er gleichzeitig für den bestmöglichen Einsatz des Personals
und - zusammen mit dem Schulrat - für die Festlegung des Dienstplans,
des Parteienverkehrs und der Arbeitszeit des gesamten Schulpersonals zuständig
und verantwortlich ist.
Budgetfreiheit anstatt Haushaltsbindung Durch das Autonomiegesetz gänzlich abgeschafft ist
der Vollzugsausschuss. Seine Befugnisse werden in Zukunft im Sinne der
Vereinfachung der Verwaltungsverfahren vom Direktor wahrgenommen. So obliegen
dem Direktor nun die Verwaltung des Schulvermögens, die Verwendung
der Geldmittel, die Vorbereitung und Durchführung der Schulratsbeschlüsse.
Protestieren lohnt sich Das vom Südtiroler Landtag verabschiedete Schulautonomiegesetz weist im Vergleich mit der "St. Kassian-Variante" erhebliche Verbesserungen auf. Sämtliche Ermächtigungen und Genehmigungen, die dem Geist des Reformgesetzes zuwider auf der berüchtigten Klausursitzung des Landesausschusses in den Gesetzestext hineingeschmuggelt worden waren, sind wieder herausgekommen. Die geforderten "eigenen Dienststellen" für die Evaluation des Schulsystems sind auch wieder im Gesetz verankert. Diese positiven Abänderungen sind nicht unerhoffte Frucht eines autonomen Wirkens des Heiligen Geistes. Sie sind die kleinen Früchte wiederholter und lauter Proteste der in der Schule arbeitenden und Verantwortung tragenden Menschen. In Südtirol weiterhin vorenthalten bleibt den autonomen Schulen das im staatlichen Reformgesetz vorgesehene Recht, die eigenen Lehrer und den Direktor zu besolden. Um diese Zuständigkeit und um die damit verbundene Arbeit und Verantwortung dürfte sich kaum ein Schuldirektor noch Schulsekretär raufen. Für die römische Regierung könnte es jedoch ein ausreichender Grund für die Rückverweisung des Landesgesetzes sein. Zu den Befugnissen einer autonomen Körperschaft gehört nun mal auch das Besoldungsrecht des eigenen Personals.
Gottlieb Pomella ist Direktor der HOB Bozen
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