Lernen aus Liebe Pädagogik nach Rudolf Steiner - von Walter Pichler Die Freie Waldorfschule in Meran bemüht sich um öffentliche Anerkennung. Gerne nahm forum schule heute die Einladung zum Besuch eines Unterrichtstages dieses umstrittenen und zugleich interessanten Schulmodells an. Hier einige Impressionen von unserem Besuch.
Pförtner "Ist der Pförtner bereit?" Als Antwort ertönt ein Gong, der das Klassenzimmer wohltuend durchdringt. Es ist das Zeichen für alle Schüler/innen, dass nun der Hauptunterricht beginnt. So nennt sich, im Unterschied zum Fachunterricht, der stark rhythmisierte Unterrichtsabschnitt von 8 bis 10 Uhr morgens. Der Reihe nach erheben sich alle am Montag Geborenen und sagen ihren individuellen Zeugnisspruch auf, der sie seit dem Vorjahr begleitet. Anschließend spricht die Klasse gemeinsam ein Zitat aus der Schöpfungsgeschichte, zuerst auf Deutsch und dann auf Hebräisch. Darauf folgt ein Lied vom Regen, da es in der Nacht geregnet hat, und ein stark rhythmisierter Spruch von der Erde, den die Kinder gestisch begleiten. Im Anschluss daran liest die ganze Klasse gemeinsam und laut aus dem Lesebuch "Schau in die Welt" die Geschichte von "Hans im Glück".
In Obermais/Meran besteht die Freie Waldorfschule seit dem Herbst 1985.
Sie führt von der ersten bis zur achten Klasse. Entstanden ist sie
aus einer Initiative von Eltern, Lehrern und Förderern der Waldorf
Schulbewegung. Getragen wird die Initiative vom Rudolf Steiner Schulverein
- sie ist eine von 750 Waldorfschulen weltweit. Ihre Lehrer/innen stehen
in Kontakt mit anderen Waldorfschulen.
Ich blättere im Lesebuch, mir fällt auf: beinahe jeder zweite
Text hat einen religiösen Inhalt; manche Texte muten antiquiert an.
Präsentiert werden Ausschnitte von Lebenswirklichkeiten, wie es sie
heute eigentlich nicht mehr gibt. Herausgegeben wurde das Lesebuch im
Jahr 1997 vom Verlag Freies Geistesleben. Ziele Größter Wert wird auf langsames, intensives "Lernen aus
Liebe" gelegt. Unterrichtsinhalte werden in intensiven Zeitblöcken
von 3-5 Wochen, sogenannten Epochen, vermittelt. Finanzielles Als Privatschule, die in der Vergangenheit kaum gefördert wurde,
musste die Waldorfschule von den Spenden der Eltern und von Gönnern
getragen werden. Finanzielle Engpässe waren Dauerzustand, und Lehrkräfte
notorisch unterbezahlt, sodass eine wesentliche Funktion der stark in
die Schule eingebundenen Eltern auch darin bestand, durch Veranstaltung
verschiedener Basare, Elternabende usw. Geld aufzutreiben bzw. im Schulgebäude
selbst Hand anzulegen und Putzarbeiten zu erledigen. Chancen Seit die Autonomie der Schulen in aller Munde ist, rechnet sich die Waldorfschule eine erhöhte Chance auf Anerkennung aus. Denn autonom ist sie schon lange. Seit dem Frühjahr 2000 sucht die Waldorfschule das Gespräch mit den Schullandesrätinnen und mit dem Schulamtsleiter. Als Ansprechpartnerin für weitere Schritte in Richtung Anerkennung wurde Frau Inspektor Eva Lanthaler ernannt. Große Hoffnung wird auch auf die Festschreibung der Alternativpädagogiken in einer Durchführungsbestimmung gesetzt. Denn manches, was die staatliche Schule in den letzten Jahren allmählich für sich entdeckt (Stichworte: Ganzheitliches Lernen, handlungsorientierter Unterricht, Erlebnispädagogik, Elternarbeit), ist im Schulprogramm von Waldorfschulen schon länger festgeschrieben und - unter spezifisch anthroposophischen Vorzeichen - auch Realität. Hürden Dass auf dem Weg zur endgültigen Anerkennung noch einige Hürden
zu nehmen sind, liegt auf der Hand: neben dem Umbau des Schulgebäudes,
das derzeit nicht den Normen einer öffentlichen Schule entsprechen
würde, sind die Lehrpläne und das Lehrpersonal zu nennen. Ob
anthroposophischer und staatlicher Bildungsauftrag unter einem Dach harmonieren
können, muss sich erst noch zeigen. Und was bleibt vom anthroposophischen
Anspruch, wenn die Lehrkräfte nicht mehr - so wie bisher - eigens
ausgebildet werden, sondern von den staatlichen Rangordnungen genommen
werden müssen? Abends Das Ende eines jeden Schultags beschließt der Klassenlehrer im Gebet. Er versucht mit seinen Schulkindern eine geistige Verbindung aufzunehmen, und zwar mit jedem einzelnen. Denn das, was untertags an der Schule durchgenommen wurde, soll in der Nacht in den Seelen der Kinder weiter arbeiten. Daher die Kontaktaufnahme. So hat es Guru Rudolf Steiner gelehrt. Und so wird es noch heute gemacht.
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