Reformlust und Unlust

von Johanna Mitterhofer und
Maria Vötter

Warum diese Sonderausgabe zur Schulreform? Die Reform ist noch nicht ganz ausgegoren. Dennoch soll darüber berichtet werden: der Information wegen und damit Auseinandersetzung stattfindet.
Die Philosophie, die der Reform der Schulzyklen zugrunde liegt, findet Zustimmung. Es besteht aber die Befürchtung, dass mehr Probleme heraufbeschworen als gelöst werden können. Neue Konflikte drohen aufzubrechen, mancherlei Argumente, aber auch Vorurteile werden ins Feld geführt.
Die unter Lehrerinnen und Lehrern eingefangene Stimmung lässt auf viel Unmut schließen. Ratlosigkeit und Unschlüssigkeit machen sich breit: Zu vieles ist offen und ungeklärt. Nicht außer Acht zu lassen ist die politische Situation; man weiß nicht, was die Wahlen im Frühjahr noch für Auswirkungen haben können.

Nichts mehr hat Bestand, das schürt Ängste und Widerstände. Nachdem die Grundschulreform endlich bewältigt worden ist, stehen wieder tiefgreifende Neuerungen an. An Mittelschulen macht sich Lethargie breit; ihren Lehrerinnen und Lehrern sind die Zukunftsperspektiven abhanden gekommen. Einstweilen kann nur vermutet werden, dass aus der Mittelschule ein Ansturm auf Versetzungen erfolgt, um dem beruflichen "Abstieg" in die niedrigere Schulstufe zu entgehen. Lehrerinnen und Lehrer aus der Mittelschule, die eine akademische Ausbildung absolviert haben, können sich schwer mit dem identifizieren, was Grundschularbeit bisher ausmachte.

Das in der siebenjährigen neuen Grundschule wegfallende Jahr lässt selbstverständlich auf einen Verlust von Lehrerstellen schließen. Minister Tullio De Mauro verspricht zwar, dass es mit der Umsetzung der Schulreform keine Reduzierung der Stellen des unterrichtenden Personals geben soll. Trotzdem ruft die Schulgewerkschaft CISL in ihrem Mitteilungsblatt "Scuola e formazione" vom 20. 11. 2000 dazu auf, die Reform der Schulzyklen besser zu durchdenken. Sie spricht von "einem großen Bluff", stellt sich aber nicht grundsätzlich gegen eine notwendige Reform des Schulsystems.

Sofern Bewährtes nicht auf der Strecke bleibt, ist Modernisierung zu bejahen. Jede Schulstufe hat ihre eigenen Stärken und kann auf positive Erfahrungen zurückblicken, auf denen aufgebaut werden muss. Lehrerinnen und Lehrer der Grund- und Mittelschule haben allerdings unterschiedlich lange und unterschiedlich anspruchsvolle Ausbildungscurricula durchlaufen. Ihre Berufsbilder stellten unterschiedliche Anforderungen an sie; dementsprechend haben sie unterschiedliche Wertvorstellungen entwickelt.
Gemeinsames Lernen, ein Sich-einander-Annähern, Zusammenarbeit im methodisch-didaktischen Bereich, die Abstimmung von Zielen und Inhalten und gegenseitige Unterstützung werden erforderlich sein.

Unterstützung dürften auch die Direktoren benötigen, die von der jeweils anderen Schulstufe viel zu wenig wissen. An der Grund- und Mittelschule gibt es noch unterschiedliche Stundenverpflichtungen, unterschiedliche Stellenpläne und Modalitäten der Stellenvergabe, um nur einzelne Beispiele herauszugreifen. Eine Angleichung zu finden, die von beiden Seiten akzeptiert werden kann, ist eine Herausforderung.

Offen bleibt - neben all den Ungewissheiten - die zentrale Frage: Wie kann mit der Reform so umgegangen werden, dass sie die Betroffenen mittragen und dass sie den Adressaten, den Schülerinnen und Schülern, zugute kommt?

Johanna Mitterhofer

Maria Vötter

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  • Wie sinnvoll ist die Schulreform?

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