Überlegungen zur gegenwärtigen
Situation und zur Zukunft der Schulbibliotheken in Südtirol
Im Schulbibliotheksbereich ist in den letzten
Jahren sehr viel erreicht worden. Neidisch blicken Besucher aus dem Ausland
auf die gut ausgestatteten Schulbibliotheken und auf die großzügige
Förderung von Seiten des Landes. Dennoch gibt nicht wenige Problembereiche.
Von Mathilde Aspmair und Markus Fritz

Teamarbeit - eine Schlüsselqualifikation
Foto: Mathilde Aspmair
Für eine intensive Nutzung der Schulmediothek
sowie für deren Einbeziehung in den Unterricht braucht es ein aus
Bausteinen bestehendes Programm des Bibliotheksunterrichts, das curricular
aufgebaut ist und auf die aktuellen Wünsche und Bedürfnisse
der Schüler/innen und Lehrpersonen flexibel reagieren kann. Das Bibliotheksteam
kann in Zusammenarbeit mit Fachkollegen Bausteine ausarbeiten, die mit
der Einführung in die Schulbibliothek beginnen, darauf aufbauend
weitere Arbeitsmaterialien enthalten - für die verschiedenen Fächer
und die verschiedenen Klassen.
Eine Möglichkeit wäre, eine Sammlung von
Bausteinen anzulegen, die dann in der Schulbibliothek aufliegt und die
von allen Lehrpersonen benutzt werden kann. Die Ausarbeitung und Durchführung
eines Programms für den Bibliotheksunterricht kann und soll Aufgabe
aller Fächer sein. Die Koordinierung liegt in den Händen des
Bibliotheksteams.
Die Grobziele dieses Programms:
- In den Einführungsstunden lernen die Schüler/innen
die Schulbibliothek kennen. Nach den Einführungsstunden können
sie die Bibliothek selbständig benutzen.
- Die Schüler/innen lernen schrittweise verschiedene
Arbeitstechniken bis hin zur Aneignung wissenschaftlicher Arbeitstechniken.
- Die Schüler/innen werden schrittweise mit
Lesetechniken vertraut gemacht.
- Die Recherchekompetenz wird gezielt geschult, so
dass die Schüler/innen selbständig in verschiedenen Medien
recherchieren und die Informationen kritisch verarbeiten können.
Besonders der Umgang mit den "Neuen Medien" muss geschult
werden.
- Die Schulbibliothek wird als Ort für fächerübergreifendes
und projektorientiertes Arbeiten genutzt.
- Sie ist Lernort für die Erprobung und Durchführung
von offenen Lernformen.

Die Schulbibliothek eignet sich besonders gut zur
Umsetzung von offenen Lernformen
Foto: Elfi Fritsche
Aus Platzgründen können wir natürlich
nicht ein vollständiges Programm für den Bibliotheksunterricht
vorstellen, wir möchten lediglich einige wenige Bausteine kurz präsentieren
und damit Anregungen für die konkrete Umsetzung des Programms bieten.
Die Bausteine bauen auf die während der Einführung
in die Bibliothek vermittelten Inhalte auf. Die Schüler/innen kennen
die Systematik (z. B. Al = Allgemeines, Li = Literatur und Sprache), den
Standort der Bücher und Medien und können mit dem OPAC umgehen.
BAUSTEIN: LEXIKALISCHES ARBEITEN UND NACHSCHLAGEN
Viele Schüler/innen wagen sich häufig nicht
an Nachschlagewerke heran, weil sie zu viel Zeit brauchen, um einen Begriff
zu finden. Mit Hilfe dieses Bausteins kann die durch fehlendes Nachschlagetraining
entstandene Schwellenangst abgebaut und eine Automatisierung des Nachschlagens
erreicht werden.
Für diesen Baustein eignet sich der Lernort Bibliothek
in besonderer Weise, weil die Bibliothek eine Vielzahl von Lexika zur
Verfügung stellt.
Die Schulbibliothek - ein Lernort zur Erprobung
von offenen Lernformen
Für das "Lexikalische Arbeiten" eignet
sich der Lernzirkel ganz besonders. Bei dieser Form des Lernens hat der
Lehrer / die Lehrerin die Aufgabe, Material bereitzustellen und bearbeitetes
Material hinterher auszuwerten. Die Arbeitsaufträge für die
Stationen des Zirkels werden vor Stundenbeginn auf den Tischen verteilt.
Zu Beginn der Einheit erklärt die Lehrperson die einzelnen Aufgaben.
Die Schüler/innen müssen auch die Möglichkeit haben, die
Ergebnisse ihrer Arbeit mit Hilfe von Kontrollblättern zu überprüfen
und gegebenenfalls zu korrigieren. Es ist ratsam, einzelne Stationen oder
Übungen über das Schuljahr zu verteilen.
Folgende Arbeitsaufträge werden auf
den Übungstischen verteilt (Auswahl):
- Welche Nachschlagewerke gibt es im Sachgebiet Naturwissenschaften?
- Gibt es Nachschlagewerke
zu Religion?
- Welche Lexika gibt es im Sachgebiet Allgemeines?
- Welches ist das umfangreichste Nachschlagewerk?
- Wie ist das Kindler-Literatur-Lexikon aufgebaut?
- Was ist das Kritische Lexikon der deutschen Gegenwartsliteratur?
Was unterscheidet dieses Lexikon von anderen Nachschlagewerken?
- Wie ist ein Eintrag im Brockhaus aufgebaut?
- Welche Informationen findet man z.B. zum Stichwort
"Italien"?
- Was bedeuten folgende Abkürzungen "ahd.",
"AT", "i.e.S" "TU".... im Brockhaus?
- Suche eine Definition des Begriffes Globalisierung!
- Wo findest du Informationen über einen Südtiroler
Autor?
- Beantworte folgende Fragen, indem du das Schüler-Lexikon
zu Hilfe nimmst: Wer war Nofretete? Wie viele Tage braucht der Planet
Mars, um die Sonne zu umlaufen? ....
Das Stationenlernen kann als "Brücke"
vom herkömmlichen Unterricht hin zu freieren Formen des Lehrens und
Lernens wie z.B. der Lernwerkstatt dienen.
BAUSTEIN: INFORMATIONSENTNAHME AUS SACHTEXTEN
Dieser Baustein hängt sehr eng mit der Vermittlung
der Recherchekompetenz (siehe Artikel von Günter Schlamp: "In
der Schulbibliothek Arbeitstechniken trainieren") zusammen.
Es geht in erster Linie um die Fragen, wie die Benutzer
möglichst schnell erkennen können, ob das Material, das sie
in der Bibliothek gefunden haben, für ihre Zwecke brauchbar ist und
wie sie es am besten verarbeiten können.
Man kann bei Schülern häufig beobachten,
dass sie hilflos vor einem Stapel Büchern sitzen, wahllos darin blättern
oder lesen, große Mengen an Fotokopien machen oder massenweise Seiten
aus dem Internet ausdrucken, ohne zu überlegen, ob die Informationen
für sie überhaupt brauchbar sind.
Die Verbesserung der Recherche- und Lesekompetenz
sowie die Vermittlung von Arbeitstechniken - eine originäre Aufgabe
einer Schulbibliothek
Die Bausteine sollen nicht isoliert behandelt werden,
sondern sollten entweder Teile einer eigenen Unterrichtseinheit zum Thema
"Vorbereitung auf ein Referat" sein oder in andere Unterrichtseinheiten
eingebaut werden.

In allen Fächern müssen Referate gehalten
werden - in der Schulbibliothek kann man die dazu nötigen Arbeitstechniken
trainieren.
Foto: Mathilde Aspmair
In fast allen Fächern müssen Referate -
sowohl in mündlicher als auch in schriftlicher Form - gemacht werden.
Es ist begrüßenswert, wenn nicht nur im Fach Deutsch Arbeitstechniken
geübt werden, sondern auch in anderen Fächern. Wichtig ist,
dass den Schülern klar wird, dass sie die Arbeitstechniken in anderen
Fächern ebenfalls gut brauchen können. Dies trägt auch
zum Abbau des Schubladendenkens bei. Der folgende Baustein kann zum Beispiel
in einem naturwissenschaftlichen Fach oder in Rechtskunde gemacht werden.
AUFBAU EINES SACHBUCHES
Mit diesem Baustein kann man direkt an die Einführungsphase
anknüpfen. Das Bibliotheksteam bereitet Übungen vor, bei welchen
folgende Inhalte im Mittelpunkt stehen:
Wie ist ein Sachbuch aufgebaut? Titel, Untertitel,
Klappentext, Vorwort, Inhaltsverzeichnis, Sach- und Personenregister
Wie kann ich mich in einem Sachbuch orientieren? Wie
finde ich möglichst schnell heraus, ob das Sachbuch für meine
Zwecke brauchbar ist?
ARBEITSTECHNIK ZITIEREN
Das Ziel sollte sein, dass die Schüler/innen
am Ende des Bienniums der Oberschule einfache Zitierregeln und in der
Abschlussklasse auch schwierige Zitierregeln beherrschen. Dies ist besonders
im Hinblick auf die Facharbeiten in den Abschlussklassen von Bedeutung.
Wichtig scheint uns, dass die Schüler/innen lernen, auch aus dem
Internet und aus CD-ROMs richtig zu zitieren. Das Bibliotheksteam kann
zusammen mit Fachlehrern einen Leitfaden mit Übungen vorbereiten.
ARBEITSTECHNIK EXZERPIEREN
Diese Arbeitstechnik bereitet Schülerinnen und
Schülern häufig Probleme. Sie haben oft Schwierigkeiten, die
zentralen Kerngedanken eines Textes zu erfassen. Es gibt verschiedene
Möglichkeiten, diese Arbeitstechnik zu üben: man sucht in der
Schulbibliothek Material zu einem Thema (Zeitungsartikel, Lexikoneinträge,
einzelne Kapitel aus Sachbüchern, Texte aus CD-ROMs und aus dem Internet)
und übt dann die Arbeitstechnik Exzerpieren.
In diesen Baustein können andere Arbeitstechniken
wie "Unterstreichen" oder "Randbemerkungen" integriert
werden. Auch Übungen zur Verbesserung der Lesetechnik können
hier ihren Platz finden.
ARBEITSTECHNIK ZWISCHENTITEL
Die Einsatzmöglichkeit dieses Bausteins haben
Elfi Fritsche und Gudrun Sulzenbacher in ihrem Buch "Lese-Rezepte"
überzeugend beschrieben. Im Rezept "Die Titelredaktion"
lernen die Schüler/innen zunächst den Unterschied zwischen einem
"Fließtext" und einem "strukturierten Text"
kennen. Anschließend untersuchen sie Zwischentitel und formulieren
selbst Zwischentitel. Sie erhalten eine kopierte Doppelseite aus einem
Sachbuch, auf welcher sämtliche Zwischentitel fehlen. Sie müssen
den Text genau lesen und selber Vorschläge für Zwischentitel
formulieren. Die Schüler/innen lernen nicht nur den Aufbau eines
Sachbuches genauer kennen, sondern auch eine Arbeitstechnik, die ihnen
die Informationsentnahme aus einem Sachtext erleichtert.
BAUSTEINE ZU DEN NEUEN MEDIEN
Die Stärke einer Schulbibliothek liegt in der
Vernetzung eines vielfältigen Medienangebotes. Die Neuen Medien stehen
im Verbund und in Konkurrenz zu allen anderen Medien.
Über die Wichtigkeit von CD-ROMs und Internet
in einer modernen Schulmediothek brauchen wir nicht zu diskutieren. Die
notwendige Schlussfolgerung aus dieser Maxime lautet: Die Neuen Medien
müssen in ein Programm des Bibliotheksunterrichts mit eingebunden
werden.
Folgende Bausteine können ausgearbeitet
werden:
- Anleitungen zur Benutzung von Suchmaschinen und
Webkatalogen (z.B. Suche mit Hilfe der Bool'schen Operatoren)
- Übungen zur kritischen Bewertung von Webseiten
(Vergleich mit Printmedien)
- Übungen zum Zitieren
Darüber hinaus bietet die Schulmediothek
noch weitere wichtige Serviceleistungen:
- Aufbau eines virtuellen Handapparats zu verschiedenen
Themen / Projekten
- Sammlung und Pflege von Favoriten / Lesezeichen,
in spezifischen Ordnern (nach dem Muster der Bibliothekssystematik)
Die hier beschriebenen Bausteine sind unserer Abschlussarbeit zum Ergänzungslehrgang
Schulbibliothek entnommen. Die Abschlussarbeiten der 62 Teilnehmer/innen
am Lehrgang sind in der Fachbibliothek des Pädagogischen Instituts
erhältlich.
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