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      Frei heraus gesagt: 
       Von Walter Pichler 
      Die Protestbewegung der Oberschüler gegen die Schulreform der Unterrichtsministerin 
        Letizia Moratti überraschte nicht wenige. Da wird uns jahrelang von 
        Soziologen, Politologen und anderen -Ogen erklärt, wie sehr die Jugendlichen 
        von der Spaß- und Medien- und Konsumgesellschaft geprägt seien, 
        und dass sie sich für Politik nicht interessierten. Und dann das: 
      14jährige Schüler/innen, die sich - freiwillig und engagiert- 
        den Kopf darüber zerbrechen, ob mit der Schulreform die Chancengleichheit 
        überhaupt noch garantiert sei; die Überlegungen anstellen, wie 
        denn gediegene Bildung vermittelt werden könne, wenn eine erhebliche 
        Anzahl an Unterrichtsstunden gestrichen wird; die sich in der Frage des 
        Religionsunterrichts in die Situation Andersgläubiger einfühlen; 
        und die über die Berichterstattung in einem Land besorgt sind, wo 
        der Ministerpräsident zugleich ein Medienzar ist. 
      Für mich als Geschichtslehrer waren besonders die Unterrichtsstunden 
        vor dem Beginn der eigentlichen Schülerproteste Sternstunden der 
        Politischen Bildung, da das Interesse der Schüler/innen an politischen 
        Fragen unglaublich stark war. 
      An mehreren Südtiroler Oberschulen wurde - angeregt durch die Vorbilder 
        in italienischen Oberschulen - die Schülerselbstverwaltung erprobt. 
        Die Meinungen darüber, wie diese Form des kollektiven Protests einzuschätzen 
        sei, gehen weit auseinander: Ich kenne Lehrpersonen, die sich darüber 
        beschwert haben, dass der vorbereitete Unterricht nicht durchgeführt 
        werden konnte; sie haben die Schülerselbstverwaltung als Verlust 
        verbucht. Andere Kolleg/inn/en haben positive Lernprozesse bemerkt, die 
        in diesen Tagen gemacht wurden. Man könnte diese Lernprozesse unter 
        dem Stichwort Eigenverantwortliches Handeln und Lernen zusammenfassen. 
      Oder wie soll man es anders nennen, wenn Schüler/innen von sich 
        aus einen 90seitigen trockenen Kommissionsbericht in italienischer Sprache 
        (Bertagna-Papier) durchackern, um aus erster Hand informiert zu sein? 
        Wenn sie Unterricht planen, selbst für Ruhe sorgen und als Lehrende 
        Erfahrungen sammeln? 
       
        Meine Frage in den Tagen der Schülerselbstverwaltung an unserer Schule 
        war: Kann es gelingen, ein wenig von dem Engagement und dem Schwung, mit 
        dem die Schüler/innen bei der Sache waren, in den Schulalltag zu 
        retten? 
      Ich weiß natürlich, dass das nicht möglich ist. Und dass 
        das auf Dauer wohl auch nicht zu ertragen wäre. Ich habe aber begonnen, 
        den Schülern mehr Verantwortung für den Unterricht zu übertragen. 
        Denn dass sie Verantwortung tragen können, wenn sie wollen - und 
        wenn man sie lässt - das haben sie gezeigt. 
       
        Walter Pichler ist Chefredakteur von forum schule heute 
        
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