Von Beruf Kulturmittlerin - ein Porträt

 

zu diesem Thema ebenfalls in forum online:

mediatore-Vermittler
von Hertha Goller

 

"Um wirklich gut arbeiten zu können müsste ich bei der gemeinsamen Planung des Unterrichts dabei sein ..."

 

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"... mit dem Mädchen aus Bangladesch habe ich mich anfangs auf Englisch verständigt - sie lernen dort Englisch bereits im Kindergarten ..."


Seit drei Jahren lebt Ljubicà Rapo, 39, in Südtirol, seit zweieinhalb Jahren ist sie als Kulturmittlerin an Südtirols Schulen tätig. Die aus Kroatien stammende Diplompädagogin bringt dafür ideale Voraussetzungen mit: Sie spricht Serbokroatisch - die Sprache der Einwandererkinder aus dem jugoslawischen Raum - und verfügt darüber hinaus über gute Deutsch- , Englisch- und Italienischkenntnisse. Weil sie selbst die Erfahrung der Emigration gemacht hat, kann sie sich so gut in die Situation ihrer Schützlinge einfühlen.

Erste Erfahrungen als Kulturmittlerin sammelte Frau Rapo an der Grundschule St. Jakob, Bozen. Damals übernahm sie das Geschwisterpaar Stefan und Marija aus Jugoslawien. Die beiden besuchten ohne irgendwelche Deutsch- oder Italienischkenntnisse die erste bzw. fünfte Klasse Grundschule.

Die energievolle Pädagogin dolmetschte, bereitete schwierige Texte mit den beiden außerhalb der Klasse vor, führte Sprachübungen durch, bemühte sich um die Integration der Schüler/innen in die Klassengemeinschaft, organisierte Spielgefährten für den Nachmittag, bezog die Eltern in das Schulgeschehen ein, usw. - dabei war sie nur sechs Stunden für das eine und vier für das andere Kind beauftragt.
Bereits im folgenden Schuljahr konnte der jüngere der beiden, Stefan, dem Unterricht alleine folgen (Frau Rapo: "Jüngere Kinder beherrschen eine Sprache schneller"), während das Mädchen die Mittelschule besuchte und weiterhin die Betreuung in Anspruch nahm.

Frau Rapo erhält nun Kinder an der Grundschule Kaltern zugewiesen, ein Mädchen aus Bangladesch und zwei Kinder aus dem Kosovo- im Widerspruch zum Prinzip, dass ein Kulturmittler die Muttersprache der Betreuten beherrschen muss. "Es wurde niemand gefunden, der Deutsch und Bengali bzw. Albanisch spricht" - beschreibt die Kulturmittlerin die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit. "Trotzdem ist es irgendwie ganz gut gegangen, denn die Kinder aus dem Kosovo hatten bereits einen bestimmten Grundwortschatz, und mit dem Mädchen aus Bangladesch habe ich mich anfangs auf Englisch verständigt - sie lernen dort Englisch bereits im Kindergarten." Zwei bis drei Stunden war die Beauftragung für das Mädchen aus Bengalen. "Ich habe sie vor allem dazu benutzt, Vertrauen aufzubauen, das scheint mir die Hauptaufgabe der interkulturellen Pädagogik zu sein."

In diesem Schuljahr sind die Kinder aus dem Kosovo wieder zurückgekehrt in ihr Heimatland - es waren Flüchtlingskinder. Mit dem Bengali-Mädchen arbeitet Frau Rapo weiter - 2 Stunden die Woche. Neue Kinder kommen hinzu: zwei Mädchen aus Jugoslawien sowie einige Sinti-Kinder aus der Siedlung bei Sigmundskron (Frau Rapo: "Es sind italienische Staatsbürger, die etwas Deutschunterricht brauchen, aber deutsche Lehrer hat man dafür keine gefunden").

Flexibilität und Einfühlungsvermögen dürften zwei wesentliche Voraussetzungen für den Beruf - oder sollte man schreiben: die Berufung? - des Kulturmittlers zu sein. Ungünstig wirkt sich aus, dass die Finanzmittel der Schulen in diesem Bereich knapp bemessen scheinen, sodass es zu den beschriebenen Mikroaufträgen von 2-3 Stunden kommt. Frau Rapo: "Um wirklich gut arbeiten zu können müsste ich bei der gemeinsamen Planung des Unterrichts dabei sein, und ich bin auf die Offenheit der anderen Lehrpersonen angewiesen. Nur dann kann das Konzept des interkulturellen Unterrichts, nach dem wir Kulturmittler arbeiten, wirklich aufgehen."

Sinnvoll wäre es auch, dem Beispiel Österreich zu folgen, das in jedem Bundesland eine Schul-Beratungsstelle für Ausländer eingerichtet hat.

Walter Pichler

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